Christian Scheid-Kolumne 21.05.2021 09:03:27

Pünktlich zum 30. Geburtstag auf Rekordjagd

Kolumne

Der erste Handelstag fand am 2. September 1771 statt. Anfänglich wurden Anleihen, Wechsel und Devisen gehandelt. Börsenmakler, auch "Sensale" genannt, sorgten für den reibungslosen Handel und erhielten für die Vermittlung der Geschäfte eine Provision. Mit der Oesterreichischen Nationalbank notierte ab 1818 die erste Aktie in Wien. Seit 1869 werden Porr- und Wienerberger-Aktien gehandelt, sie sind somit die ältesten durchgehend notierten Gesellschaften an der Wiener Börse. Seit der Einführung von Xetra im Jahr 1999 wird der Handel komplett digital abgewickelt und mit der Anbindung ausländischer Bankhäuser auf Internationalisierung gesetzt. Der Fokus liegt dabei auf Kooperationsabkommen und Beteiligungen in Zentral- und Osteuropa.

Im 250. Jubiläumsjahr der Wiener Börse feiert auch der Austrian Traded Index (ATX) einen runden Jahrestag. Am 13. Mai 1991 wurde das österreichische Börsenbarometer zum ersten Mal veröffentlicht. Zum Börsenschluss flimmerte damals ein Punktestand von 1.192,95 über die Bildschirme. Im Zuge der impfstoffbedingten Rotation in zyklische Aktien insbesondere seit November 2020 hat der ATX zu einer Aufholjagd angesetzt und weist ziemlich genau 30 Jahre nach seinem Start, am 14. Mai 2021, inklusive Dividenden 6.779 Punkte aus. Damit hat der ATX seinen beinahe 14 Jahre alten Rekord aus 2007 übertroffen. Anleger, die seit 1991 durchgehend auf ATX-Aktien setzten, können sich heute über eine Gesamtperformance von satten 678 Prozent freuen. Das entspricht einer jährlichen Durchschnittsrendite von gut 6,51 Prozent.

"Nicht nur geografisch, sondern auch mit seiner Durchschnittsrendite ordnet sich der ATX in der europäischen Mitte ein. Zwischen sechs und sieben Prozent ist langfristig eine realistische Rendite-Erwartung bei der Aktienveranlagung an entwickelten Märkten", erklärt Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse. Dabei speist sich die Hälfte der ATX-Rendite aus der Dividende. "Der reine Kursindex bildet nicht den vollen Anlageerfolg ab und verfälscht das Bild des österreichischen Marktes, insbesondere beim Vergleich mit anderen Performance-Indizes wie dem DAX", so Boschan weiter.

Welche Unternehmen im Nationalindex ATX vertreten sind, bestimmt ein internationalen Standards entsprechendes Regelwerk. Zweimal jährlich überprüft das Indexkomitee die Zusammensetzung und wiederum viermal die Berechnungsfaktoren des ATX. Seit Start sind drei Unternehmen ohne Unterbrechung im ATX vertreten: OMV, Verbund und Wienerberger. Der Schwerpunkt im Branchenmix liegt auf den Sektoren Finanzwesen (42 Prozent), Grundindustrie (32 Prozent) sowie Industriegüter und Dienstleistungen (12 Prozent). Dadurch bewegt sich das österreichische Auswahlbarometer zyklisch. Brummt die Konjunktur, zieht er stärker an, ist die Einschätzung düster, fällt er tendenziell.

Wegen der stark zyklischen Ausrichtung könnte für das laufende Jahr 2021 mit einem starken Gewinnwachstum zu rechnen sein. Entsprechend könnten sich österreichische Aktien weiterhin positiv entwickeln. Wir empfehlen Anlegern daher, beim Mini aus ZJ 11.2021 trotz der inzwischen aufgelaufenen Gewinne von knapp 30 Prozent dabei zu bleiben (ISIN AT0000A2M615). Neueinsteiger können über Teilschutz nachdenken, wie ihm etwa ein Discounter der RCB bietet. Bei einem Rabatt von 10,5 Prozent ist im September 2022 einen Ertrag von 8,5 Prozent drin (ISIN AT0000A2PCB8).

Christian Scheid, Chefredakteur von Zertifikate Austria, begann sich Mitte der Neunziger Jahre für die internationalen Finanzmärkte zu begeistern. Nach seinem Abschluss zum Diplom-Volkswirt 1999 war er Redakteur und Ressortleiter beim Anlegermagazin "Börse Online". Seit 2006 ist er als Freier Wirtschafts- und Finanzjournalist selbstständig. Hier können Sie sich für den Gratis-Newsletter anmelden: Zertifikate Austria


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