Plötzlicher Druckabfall 10.10.2023 21:29:00

Wahrscheinlich kein Unfall: Finnland beruft Pressekonferenz wegen möglichem neuen Gasleck in der Ostsee ein

Wahrscheinlich kein Unfall: Finnland beruft Pressekonferenz wegen möglichem neuen Gasleck in der Ostsee ein

Finnland geht davon aus, dass Schäden an der Gas-Pipeline Balticconnector durch Einwirkung von außen verursacht worden sind. Sowohl Präsident Sauli Niinistö als auch Ministerpräsident Petteri Orpo vermieden es am Dienstag zwar, offen von Sabotage zu sprechen oder Russland zu verdächtigen. Beide sprachen aber von "äußerer Aktivität", die dem Vorfall wahrscheinlich zugrunde liege.

Die betroffene Pipeline Balticconnector verläuft zwischen Finnland und Estland. Die Betreibergesellschaften Gasgrid (Finnland) und Elering (Estland) hatten am frühen Sonntagmorgen einen plötzlichen Druckabfall in der Leitung bemerkt. Der Gastransport zwischen den beiden EU-Ländern wurde daraufhin unterbrochen. Seitdem ist die Leitung außer Betrieb. Das Gasleck wurde nach Gasgrid-Angaben mit der Isolierung des Teilabschnitts und dem Schließen der Ventile gestoppt. Die Reparatur dürfte nun Monate dauern. Die Kriminalpolizei leitete Ermittlungen ein, um festzustellen, ob tatsächlich Sabotage oder etwas anderes hinter dem Vorfall steckt.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach mit dem finnischen Präsidenten über den Schaden, wie in Brüssel ein Nato-Beamter berichtete. Das nordatlantische Verteidigungsbündnis sei bereits dabei, die Sicherheit der kritischen Infrastruktur unter Wasser zu verstärken. "Wir beobachten die Situation weiter sehr genau." Die Nato stehe in engem Kontakt mit Estland und Finnland. Unter anderem als Reaktion auf die Beschädigung stiegen die Preise am europäischen Erdgasmarkt kräftig an - liegen aber weiter unter dem Niveau, die sie im Zuge des russischen Krieges gegen die Ukraine erreicht hatten.

Die Leckstelle liegt nach Regierungsangaben in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Finnlands. Die festgestellte Beschädigung könne nach einer vorläufigen Beurteilung weder durch die normale Nutzung der Pipeline noch durch Druckschwankungen entstanden sein, sagte Orpo auf einer Pressekonferenz in Helsinki. Es sei wahrscheinlich, dass das Leck auf äußere Einwirkungen zurückzuführen sei.

Zuvor hatte bereits Finnlands Präsident Sauli Niinistö die Beschädigung der Unterwasser-Infrastruktur mit Fremdeinwirkung in Verbindung gebracht. "Es ist wahrscheinlich, dass der Schaden sowohl an der Gasleitung als auch am Datenkabel durch äußere Aktivität verursacht wurde. Was den Schaden genau verursacht hat, ist noch nicht bekannt", schrieb er in einer Erklärung. Sein estnischer Amtskollege Alar Karis sprach von "sehr besorgniserregenden Informationen".

Bei dem besagten Kabel handelt es sich um ein Kommunikationskabel, das Finnland und Estland verbindet. Nach Angaben der Regierung in Tallinn befindet sich dessen Beschädigung höchstwahrscheinlich in der estnischen Wirtschaftszone. Eine Bestätigung dafür stehe aber noch aus, sagte Verteidigungsminister Hanno Pevkur. Ob das Leck in der Gasleitung und der Kabelausfall miteinander in Verbindungen stehen, werde die Untersuchung zeigen. Ereignet hätten sie sich geografisch an unterschiedlichen Orten. Zeitlich lägen sie aber recht nah beieinander, sagte Pevkur.

In dem Gespräch mit Nato-Generalsekretär Stoltenberg bekräftigte Niinistö, dass der Vorfall keinen Einfluss auf die Versorgungssicherheit seines Landes habe. Auch die estnische Regierung betonte, dass die Gasversorgung des nördlichsten der drei baltischen Staaten nicht beeinträchtigt sei. Mehrere Nato-Verbündete sprachen Finnland und Estland Unterstützung aus.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach am Abend mit Orpo und der estnischen Premierministerin Kaja Kallas. Sie verurteile jede Zerstörung kritischer Infrastruktur aufs Schärfste, teilte von der Leyen über X (ehemals Twitter) mit. Litauen teilte mit, die Überwachung seiner strategischen Infrastruktur zu verstärken.

Balticconnector war Anfang 2020 in Betrieb genommen worden. Die rund 150 Kilometer lange Pipeline verläuft vom finnischen Inkoo über den Finnischen Meerbusen bis ins estnische Paldiski. Der betroffene Offshore-Abschnitt im Meer ist gut 77 Kilometer lang. Die Pipeline ist deutlich kürzer als die Gasleitungen Nord Stream 1 und 2, die vor rund einem Jahr bei Sabotageakten in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm schwer beschädigt wurden. Wer hinter den Nord-Stream-Anschlägen steckt, ist bis heute unklar.

Nach Angaben von Estlands Außenminister Margus Tsahkna gibt es Informationen darüber, welche Schiffe sich während des Vorfalls in der Umgebung der Pipeline bewegt haben. Noch sei es jedoch zu früh, diese offenzulegen. Der Vorfall zeige jedoch, dass der Sicherung kritischer Unterwasserinfrastruktur besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden müsse.

Anders als bei den Vorfällen an den Nord-Stream-Leitungen verzeichneten Seismologen keine größeren Explosionen, als das Leck von Balticconnector entstand. Die estnischen Regierungsvertreter bestätigten, dass der Schaden an der Gas-Leitung mechanischer Natur sei. Ein heftiger Sturm am Wochenende oder eine Beschädigung der Leitung durch den Wellengang könnten als mögliche Ursachen ausgeschlossen werden, sagte Elering-Vorstandschef Kalle Kiik.

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte Finnland im Mai 2022 den Beitritt zur Nato beantragt. Vor rund einem halben Jahr wurde das nordische EU-Land dann als 31. Mitglied in das Verteidigungsbündnis aufgenommen. Es grenzt auf einer Länge von rund 1340 Kilometern an Russland.

HELSINKI (dpa-AFX)

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