Weizenpreis
26.05.2023 09:31:00
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Agrarökonom: Kein Preisdämpfer für Weizen durch Ukraine-Exporte
Wesentlicher Treiber der Preisentwicklung seien die global guten Ernteaussichten, erklärte Sinabell im Gespräch mit der APA. Das führe zu einem erwartbar höheren Angebot an Getreide, weniger Knappheit und damit niedrigeren Preisen. Mit Blick auf Befürchtungen, wonach ukrainische Exporte den Preis dämpfen würden, verwies der Agrarökonom auf die Entwicklung von Jänner bis März, in dessen Rahmen die ukrainischen Exporte nach Europa deutlich zurückgegangen seien. Sinabell räumte zwar ein, dass sich im langfristigen Vergleich mehr Ware aus der Ukraine im Umlauf befinde. Schon im vergangenen Jahr und 2019 aber seien die Exporte vergleichsweise hoch gelegen - bei kaum mit der momentanen Situation vergleichbaren Preisdynamiken.
Die durch den Krieg ausgelösten Unsicherheiten hatten den Weizenpreis im vergangenen Jahr in ungeahnte Höhen katapultiert. Lag der Preis für den Pariser Weizenkontrakt am 23. Februar 2022, einen Tag vor dem russischen Einmarsch, noch bei 287 Euro pro Tonne, stieg er in der Folgezeit phasenweise auf weit über 400 Euro. Rund um den Jahreswechsel allerdings entspannte sich die Lage spürbar, der Preis fiel im März wieder unter Vorkriegsniveau und befindet sich seither auf Talfahrt. Momentan notiert der Weizen an der Warenterminbörse Euronext bei gut 222 Euro je Tonne.
Europäische und auch manche österreichische Agrarvertreter machen dafür unter anderem die Ausfuhren von Erzeugnissen aus der Ukraine verantwortlich, die derzeit aufgrund einer Ausnahmeregelung, die gestern seitens der EU verlängert wurde, zollfrei sind. Sie würden ihre Ziele in afrikanischen Ländern verfehlen, den europäischen Markt überschwemmen und damit Preisbildungsmechanismen stören, so deren Befürchtung. Polen, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien verhängten für verschiedene Waren sogar Importstopps. Deren Vorstoß wurde zwar von einigen Ländern, darunter auch Österreich, kritisiert. Die Europäische Union müsse aber sicherstellen, dass die Getreideexporte nicht in Europa hängen bleiben, sagte dazu zuletzt Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP).
"Die Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass große Unsicherheit besteht, das Getreide über die Schwarzmeerroute exportieren zu können. Das Abkommen mit Russland ist befristet und die Verlängerung nicht sicher", so Sinabell. Das treffe sowohl auf Futtermittel als auch auf Weizen für Nahrungszwecke zu. Daher seien die Transportkapazitäten auf dem Landweg bzw. über die Donau verstärkt worden. "Das führte zu einer Verlagerung der Verkehrswege und zur aktuellen Aufregung. Dieser wird auch Rechnung getragen, indem Schutzklauseln von der EU für die unmittelbaren Nachbarländer der Ukraine vorgesehen und umgesetzt wurden."
Für die Sorgen der Bäuerinnen und Bauern äußerte der Experte dennoch Verständnis. "Es ist klar, dass die Getreidebauern sauer sind, weil die Preise für ihre Produkte deutlich sinken, bei den Kosten dieser Rückgang aber noch nicht da ist." Heuer sei daher mit geringeren Einkommen aus der Getreidewirtschaft als im vorigen Jahr zu rechnen.
Bis zu einem gewissen Grad lasse sich der aktuelle Aufschrei zu den Ukraine-Exporten auch mit diesem wirtschaftlichen Umstand erklären. "Wenn ein bisher nicht beobachtetes Ereignis eintritt, nämlich Über-Land-Lieferungen von Getreide aus der Ukraine, dann neigt man dazu, alle Entwicklungen auf diesen Faktor zu beziehen und darauf zurückzuführen." Für die sinkenden Preise sei das allerdings nicht bestimmend, betonte Sinabell.
Ebenso könne man nicht von einer "Überschwemmung" des Marktes mit Produkten aus der Ukraine sprechen. Zwar komme das Angebot aus der Ukraine für manche Produzenten, die Ware eingelagert und noch nicht verkauft haben, gewiss einer solchen Situation gleich. "Eine Überschwemmung aber würde bedeuten, dass der Weizenpreis in Europa binnen kurzer Zeit ins Bodenlose fällt. Da wären wir bei 100 Euro pro Tonne. Und davon sind wir noch sehr weit entfernt."
(APA) tpo/cri/bel