PARIS/FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Haushaltsstreit in Frankreich verunsichert zunehmend die Anleiheninvestoren des Landes. Dies spiegelt sich in der am Finanzmarkt stark beachteten Differenz der Renditen zehnjähriger französischer Staatsanleihen zu entsprechenden Renditen deutscher Bundesanleihen wider. Der Abstand hat seit Mitte November deutlich zugenommen und am Mittwoch mit zuletzt 0,86 Prozentpunkten das höchste Niveau seit der Eurokrise 2012 erreicht. Deutsche Anleihen rentieren aktuell mit 2,17 Prozent, wohingegen französische Papiere 3,03 Prozent abwerfen. Am Markt wird damit auch ein höheres Ausfallrisiko französischer Staatspapiere eingepreist.
Die Nervosität an den Märkten reflektiert die Bedenken der Anleger, ob Premierminister Michel Barnier in der Lage ist, einen Haushalt für das nächste Jahr zu verabschieden und Ausgabenkürzungen zur Verringerung des Defizits des Landes durchzusetzen. Marine Le Pen von der rechtsextremen Nationalen Sammlungspartei hatte angekündigt, die Regierung mit einem Misstrauensantrag zu stürzen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Experten rechnen damit, dass sich der Haushaltsstreit wahrscheinlich im Dezember zuspitzt.
Zudem verstärkte ein Bericht der Zeitung "Le Parisien" die Unruhe unter den Investoren. Demnach wolle Le Pen tatsächlich ihre Drohungen wahr machen und Barnier bald durch ein Misstrauensvotum absetzen. Macrons Büro dementierte derartige Äußerungen. Barnier warnte das Land vor einem "Sturm" auf den Finanzmärkten, wenn seine Haushaltsvorschläge abgelehnt werden und die Regierung abgewählt wird.
"Die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierung stürzt, wenn die Nationale Sammlungsbewegung von Le Pen zusammen mit der linken NFP-Koalition für einen Misstrauensantrag stimmt, ist nicht unerheblich", schrieb Analyst Raphael Brun-Aguerre von der US-Bank JPMorgan. Sollte die Regierung Anfang Dezember stürzen, hätte Macron aber zunächst Zeit, einen neuen Premierminister zu ernennen, der eine neue Regierung anführt. Angesichts der knappen Zeit könnte Macron die Option einer technischen Regierung in Betracht ziehen. Diese Regierung könnte einige von der Opposition vorgeschlagene Änderungen übernehmen und den Haushalt erneut - wie schon bei der Rentenreform - mithilfe eines Verfassungsartikels durch das Parlament bringen. Dies könnte Brun-Aguerre zufolge gelingen oder scheitern. Eine dauerhafte Regierung würde dann wahrscheinlich erst nach einer Neuwahl des Unterhauses im nächsten Sommer gebildet werden.
Greg Hirt, der Leitende Anlagestratege für den Bereich Multi Asset bei der Fondsgesellschaft Allianz Global Investors, äußerte sich vor diesem Hintergrund entsprechend skeptisch: "Wir könnten sehr wohl in eine Situation kommen, in der die Regierung in Paris erneut in Gefahr gerät. Es könnte durchaus sein, dass wir am Ende einen Spread zu Bundesanleihen auf dem Niveau von Italien haben."
Dies wäre ein Novum in der Ära des Euro, da italienische Anleihen mit niedrigerem Rating wegen der hohen Schuldenlast des Landes in der Vergangenheit zu den höchstverzinslichen des Euroraums gehörten. Italienische Anleihen werden aktuell mit einem Aufschlag von rund 1,3 Prozentpunkten gegenüber deutschen Staatsanleihen gehandelt.
Der Spread zwischen deutschen und französischen Staatsanleihen war bereits nach der überraschenden Ankündigung von Neuwahlen für die Nationalversammlung im Juni stark angezogen. Zum Höhepunkt der Eurokrise an den Finanzmärkten Ende 2011 aber war der Renditeabstand mit fast 1,9 Prozentpunkten deutlich höher gewesen als aktuell./la/jkr/jha/