Der französische Präsident François Hollande forderte unlängst Maßnahmen gegen den starken Euro. Nach den Worten Hollandes könnte die Währungszone andernfalls "mit einem Wechselkurs enden, der nicht dem wirklichen Zustand seiner Volkswirtschaft entspricht". Das mag auf den ersten Blick plausibel klingen, doch entsprechen die Wechselkurse vermutlich in den meisten Fällen "nicht dem wirklichen Zustand ihrer Volkswirtschaften". Tatsächlich ist der Außenwert einer Währung wohl die Variabel, die sich makroökonomischen Erklärungsmustern am nachhaltigsten entzieht.
Die über längere Zeiträume wichtigsten Einflussfaktoren der Wechselkurse sind Inflationsdifferenzen und Unterschiede bei den Produktivitätszuwächsen. Länder, die über längere Zeit eine höhere Inflationsrate aufweisen, büßen an Wettbewerbsfähigkeit ein. Das war - mehr oder weniger ausgeprägt - in den Peripherieländern zu beobachten, bevor sie in die Europäische Währungsunion (EWU) eintraten. Ebenso sinken mit steigender Arbeitsproduktivität die Lohnstückkosten, während die Wettbewerbsfähigkeit steigt und die Währung nominal aufwertet.
Auf längere Sicht passen sich die realen Wechselkurse zwangsläufig an, um den Netto-Auslandsvermögens-status aufrechtzuerhalten. Sofern die Gefahr besteht, dass es durch anhaltend hohe Inflationsraten zu dauerhaften Defiziten kommt, muss der reale Wechselkurs nachlassen. Kommt es dagegen zu dauernden Überschüssen, ist eine reale Aufwertung vonnöten. Im Ergebnis ist die Leistungsbilanz der maßgebliche Faktor bei der Wechselkursbestimmung. Eine Aufwertung könnte ein Zeichen von Stärke sein, da sie entweder einen Erfolg der Geldpolitik bei der Inflationsbekämpfung oder kräftige Produktivitätszuwächse indiziert.
Präsident Hollande ist indes - aus naheliegenden Gründen - anderer Meinung: Wechselkurse entsprechen gerade deshalb nicht dem wirklichen Zustand ihrer Volkswirtschaften, weil sie nahezu völlig von der Kapitalbilanz der Zahlungsbilanz bestimmt werden. Die Handelsströme sind gemessen an den Bruttokapitalströmen geradezu unbedeutend und Letztere sind in einer von hoher Kapitalmobilität geprägten Welt nur sehr schwer vorherzusagen. Das liegt vor allem daran, dass insbesondere kurzfristige Kapitalströme wohl weniger von ökonomischen Fakten als vielmehr von "psychologischen Elementen" getrieben werden.
(Euro-)Aufwertung ist nicht gleich Aufwertung
Wie stark hat der Euro also in letzter Zeit wirklich zugelegt? Reicht das, um die Konjunkturaussichten deutlich zu trüben und die Inflationsgefahr zu erhöhen? Sind wechselkurspolitische Maßnahmen geboten? Bisher sicherlich nicht!
Man darf auch hier nicht die Fakten aus den Augen verlieren. Der effektive Wechselkurs hat, seit er Ende Juli die Talsohle erreichte, um 7 Prozent zugelegt. Damit entspricht er in etwa dem Durchschnittsniveau seit 1999, wenn auch 5 Prozent unter dem Niveau von Anfang 2011 und 10-15 Prozent unter dem Niveau von Anfang 2010. Über einen Zeithorizont von ein bis zwei Jahren war er effektiv rückläufig - ein wichtiger Faktor, wenn man bedenkt, dass manche realwirtschaftlichen Entscheidungen von langfristigen Trends abhängen.
Aber auch kurzfristigere Veränderungen sind von Bedeutung. Also unter sonst gleichen Umständen - bedeutet Aufwertung entweder weniger Exporte oder niedrigere Gewinnspannen. In jedem Fall könnte sich das negativ auf den Investitionsbedarf sowie die Nachfrage nach Arbeitskräften auswirken. Doch die Umstände sind für gewöhnlich nicht gleich. Viel hängt vom Tempo und Ausmaß der Aufwertung sowie der Intensität der Nachfrage an den Exportmärkten ab. Zwischen Anfang 2006 und Anfang 2008 konnte die Eurozone mühelos eine mehr oder weniger allmähliche Aufwertung um 10-15 Prozent verkraften, denn die Weltwirtschaft boomte.
Inwieweit ein starker Wechselkurs einer Volkswirtschaft schadet, hängt zudem auch von der Zusammensetzung ihrer Exportbasis ab. Sofern ein Land hoch entwickelte Investitionsgüter anbietet, die nicht ohne Weiteres aus anderen Quellen bezogen werden können, wie dies beispielsweise bei Deutschland der Fall ist, wird die Nachfrage nach seinen Exportgütern relativ preisunempfindlich sein. Die Produkte, die Frankreich und Italien anbieten, können dagegen relativ leicht anderswo bezogen werden. Daher macht sich eine starke Währung in diesen Volkswirtschaften schon früher schmerzhaft bemerkbar. Es ist insofern kein Zufall, dass bislang jeder französische Präsident irgendwann auf eine Zügelung des Wechselkurses gedrungen hat.
es kommt auch auf die Entwicklung in anderen Teilen der Finanzmärkte an
Auch die Ursachen für die Aufwertung spielen eine Rolle: Steigt der Kurs, weil immer mehr Investoren auf die Region setzen, so ist das der Volkswirtschaft weniger abträglich als beispielsweise eine Aufwertung infolge exogener Erschütterungen. Die Stärkung des Euro im Zeitraum von Juli 2012 (Draghis berühmte Rede) und Dezember 2012 war nämlich ein Vertrauensvotum für die EWU. Mit der Einführung des EZB-Anleihekaufprogramms Outright Monetary Transactions (OMT) als Liquiditätsreserve für Regierungen ging das Extremrisiko eines Auseinanderbrechens der Eurozone deutlich zurück. Im Ergebnis floss Kapital in die Eurozone zurück und sorgte nicht nur für einen steigenden Wechselkurs, sondern auch für eine Verbesserung der Finanzlage am Binnenmarkt. Zu einem Großteil wurde der "Höhenflug" des Euro auch von der Erwartung angetrieben, dass andere Zentralbanken, wie etwa die Bank of Japan (BoJ), die Zinsen noch aggressiver senken werden als die EZB. Dadurch haben sich die finanziellen Bedingungen wiederum verschärft, bleiben insgesamt aber deutlich entspannter als im Juli 2012. Wir rechnen daher nicht mit sofortigen Maßnahmen.
Das OMT-Programm hat eindeutig die finanzielle Stabilität erhöht und die EZB wird aller Wahrscheinlichkeit nach erst einmal abwarten, inwieweit sich diese Verbesserungen auf die Realwirtschaft auswirken. Letztendlich wird man aber wohl Maßnahmen ergreifen, die nach unserem Dafürhalten positiven Wandel anstoßen könnten. Im Ergebnis könnte der Effekt der BoJ-Maßnahmen auf die Wechselkurse weltweit eine weitere geldpolitische Lockerung bewirken. Wegen der gewaltigen Produktionslücke und der Sparpolitik wäre das für die entwickelten Länder von Vorteil. Profitieren würden aber auch die Emerging Markets, wo eine Umschichtung vom exportgestützten Wachstum hin zu einem von der Binnennachfrage getragenen Wachstum vonnöten ist.
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Quelle: fixed-income.org - Die Plattform für Investoren und Emittenten am Anleihenmarkt.