Bond-Experte sieht Trendwende am US-Anleihemarkt voraus

• Renditen der US-Anleihen im Rallymodus im ersten Quartal 2021
• Zweites Jahresviertel bringt die Ernüchterung
• Scott Peng bullish für US-Anleihen

Die Coronakrise hat nicht nur an den Finanzmärkten für allerlei Turbulenzen gesorgt. Auch an den Anleihemärkten sind die Auswirkungen der noch immer nicht durchgestandenen Krise deutlich spürbar.

Dies zeigt sich insbesondere am Verlauf der langfristigen US-Staatsanleihen. Während die Renditen der Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit Ende Juli 2020 historische Tiefstände erreichten, folgte daraufhin eine Rally, die im März 2021 mit einem Anstieg von 83 Basispunkten ihren Höhepunkt fand. Seitdem ging es bisher jedoch wieder 60 Basispunkte abwärts.

Neues Kapitel aufgeschlagen

Wie Marktexperte Scott Peng von Advocate Capital Management in einer Marktanalyse auf der firmeneigenen Webseite erklärt, könnte der US-Anleihemarkt nun in einer neue Phase der "Rate Rise Saga" eingetreten sein, in der die Renditen für US-Anleihen mit langer Laufzeit steigen werden.

Darum griffen Anleger im zweiten Jahresviertel verstärkt bei Anleihen zu

Folgende Ursachen führt Peng als Hintergründe der Rally am Bondmarkt im zweiten Quartal 2021 an, die zu dem sukzessiven Sinken der Renditen um 60 Basispunkte führten: Nachdem im ersten Quartal 2021 alle Zeichen auf wirtschaftliche Erholung standen, zeugten verschiedene Konjunkturdaten schon im zweiten Jahresviertel von einer Verlangsamung des Aufschwungs. So hätte beispielsweise die Arbeitslosenrate im April erstmals seit dem Gipfel der Pandemie wieder zugenommen und auch andere Wirtschaftsindikatoren hätten an Momentum eingebüßt.

Darüber hinaus hätte die neue und extrem ansteckende Delta-Variante für zunehmende Unsicherheit gesorgt. Auch wenn sich insbesondere in Ländern mit großem Impffortschritt wie in Europa gezeigt hätte, dass die durch Delta ausgelöste Ansteckungswelle weitaus kleiner ausgefallen wäre, als beim Aufkommen der Variante zunächst befürchtet.

Als letzten Punkt führt Peng Umwälzungen von Marktteilnehmern wie beispielsweise Hedgefonds an, die im zweiten Quartal viele Shortpositionen abgebaut hätten.

Diese Faktoren läuten die neue Ära am Anleihemarkt ein

Auch wenn es für die Renditen der Staatsanleihen im zweiten Jahresviertel abwärts ging, geht Peng davon aus, dass verschiedene makroökonomische Entwicklungen dazu führen, dass diese von nun an wieder steigen dürften.

Als ersten Faktor nennt der Marktexperte hier das unausweichlich bevorstehende Tapering der US-Notenbank Fed. Hier geht Advocate Capital Management davon aus, dass dies bereits Anfang 2022 beginnen dürfte. Tatsächlich offenbarte das jüngst veröffentlichte Sitzungsprotokoll der Währungshüter, dass die Mehrheit der Mitglieder davon ausgehe, dass eine Reduzierung der monatlichen Anleihekäufe auch noch in diesem Jahr möglich wäre.

Neben dem bevorstehenden Tapering dürften nach Einschätzung von Peng auch die geplanten massiven Stimulusprogramme zu wieder steigenden Bondrenditen führen. Schließlich sei die Regierung gezwungen im Rahmen der billionenschweren beschlossenen Hilfen ein größeres Defizit aufzubauen.

Die großzügigen Stimuli dürften wiederum zu einem starken Rebound der US-Wirtschaft führen, ein Phänomen, dass sich bereits jetzt zeige. Auch die Verbraucher dürften mit zunehmender Normalisierung des täglichen Lebens wieder mehr von ihrem während der Lockdowns angesparten Geld ausgeben und die Wirtschaft befeuern.

Schon in der aktuellen Phase der wirtschaftlichen Erholung würden Unternehmen jedoch bereits feststellen, dass es einen Mangel an Arbeitskräften gebe. Peng geht dabei davon aus, dass sich dieser Arbeitskräftemangel nicht als vorübergehendes Problem entpuppen dürfte und damit ebenfalls zu steigenden Bondrenditen führt.

Scott Pengs Fazit

All diese Entwicklungen markieren nach Meinung von Advocate Capital Management den Beginn eines neuen Kapitels, in dem steigende Rendite am US-Anleihemarkt winken dürften. So lautet das Fazit von Peng in der Analyse: "Trotz der Deltavariante sind höheren Renditen unserer Meinung nach unausweichlich. Höhere Zinssätze werden von verschiedenen Faktoren wie einem nicht-vorübergehenden Mangel an Arbeitskräften, einer steigenden Inflation, mehr Stimulusprogrammen, enormen Staatsdefiziten, einem wachsenden Staatsanleihenangebot zur Finanzierung der Defizite und dem bevorstehenden Tapering von großangelegten, preisunabhängigen Anleihekäufen der Zentralbank befeuert."

Redaktion finanzen.at

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