Nach Lira-Absturz 19.08.2018 22:13:00

"Wirtschaftskrieg" in der Türkei: Das sind die Gewinner und Verlierer

"Wirtschaftskrieg" in der Türkei: Das sind die Gewinner und Verlierer

Türkei im "Wirtschaftskrieg"

Die Türkei befindet sich derzeit in einem "Wirtschaftskrieg", insbesondere mit den USA, wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kürzlich verlauten ließ. Der dramatische Kursverfall der türkischen Lira als Reaktion auf die US-amerikanischen Strafzölle auf türkische Stahl- und Aluminiumexporte hat die Weltmärkte erschüttert.

Einige Experten gaben nun jedoch Entwarnung, die Probleme in der Türkei würden wohl keine Finanzkrise auslösen. "Die Zahlen dort beunruhigen mich nicht wirklich. Ich denke, es geht mehr um die Stimmung", sagte Sat Duhra, Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors gegenüber CNBC. Schwierig sei die generelle aktuelle Situation - in Anbetracht des schwelenden Handelskonfliktes zwischen den USA und China, den steigenden Zinsen in den USA sowie schwächeren Konjunkturaussichten in China gieße die Türkei-Krise nur "mehr Treibstoff ins Feuer", so Duhra.

Doch während die einen eine solche Krise leichter wegstecken können, könnte sie für andere wiederum gefährliche Folgen mit sich bringen.

Der US-Dollar profitiert

Dem US-Dollar beispielsweise nützt die Türkei-Krise deutlich mehr, als dass sie ihm schadet. Denn Investoren suchen nun nach einem sicheren Hafen, weshalb US-Vermögenswerte aktuell besonders gefragt sind. So stieg der Dollar-Index seit dem Lira-Verfall um rund 0,2 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit mehr als einem Jahr. David Dietze, Gründer und Chief Investment Stratege von Point View Wealth Management, befürchtet allerdings, der aufstrebende US-Dollar könnte die Probleme der Türkei und anderer aufstrebender Märkte noch verschärfen. "Steigende US-Zinsen tun zwei Dinge: Zum einen macht es die auf Dollar lautende Verschuldung dieser Schwellenländer schwieriger zu bedienen, und zum anderen hat es den Effekt, dass die Menschen die Vorteile der US-Zinsen nutzen, den US-Dollar anheben und auch die Rückzahlung der US-Dollar-Schulden erschweren", sagte Dietze gegenüber CNBCs "The Rundown".

Verbesserung der Beziehungen zwischen der Türkei und der EU

Neben dem US-Dollar dürfte zudem die Beziehung zwischen der EU und der Türkei von der Krise profitieren, während sich der Konflikt zwischen den USA und der Türkei zunehmend verschlimmert. Hintergrund sind vor allem die verhängten Sanktionen gegen die Türkei sowie ein Streit um das Schicksal des US-Pastors Andrew Brunson, der wegen Terror-Vorwürfen in der Türkei festgehalten wird. Diese Umstände könnten die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei stärken, heißt es in einem Bericht der Eurasia Group, einem Beratungsunternehmen für politische Risiken. Obwohl der "seit längerem bestehenden Probleme" in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit sowie die Pressefreiheit zwischen der EU und Ankara seien beide Parteien in Verhandlungen bisher stehts vorsichtig gewesen - im Gegensatz zu US-Präsident Donald Trump. "Trumps Unbeliebtheit in Europa macht es höchst unwahrscheinlich, dass die Staats- und Regierungschefs der EU seinen Ansatz unterstützen werden. Wenn überhaupt, weisen hochrangige EU-Beamte auf die ‘Gemeinsamkeiten’ der EU und der Türkei gegenüber den USA hin - in Bezug auf Zölle, Bedrohungen und vieles mehr", schreibt die politische Risikoberatung. Bereits jetzt ist ein Fortschritt der Türkei-EU-Beziehungen zu beobachten: Nachdem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier kürzlich in einem Bericht die neuen Zölle von Trump für die Türkei kritisiert hatte, hatte der türkische Finanzminister Berat Albayrak äußerst positiv auf Twitter reagiert.

"Dies deutet darauf hin, dass die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei wahrscheinlich weiter auftauen werden", merkt Eurasia an.

Schwellenländer sind die Verlierer

Die Schwellenländer dürften als die größten Verlierer aus der Türkei-Krise herausgehen. Im Anschluss an den immensen Kurssturz der Lira sackte auch der südafrikanische Rand um mehr als 10 Prozent ab, die indische Rupie sowie der russische Rubel erreichten ebenfalls Tiefststände. Der iShares MSCI Emerging Marktes Exchange Traded Fund - ein Fonds, der die Nachbildung der Wertentwicklung eines Index bestehend aus Unternehmen aus Schwellenländern abbildet - fiel in der vergangenen Woche mehr als ein Prozent, obwohl die Türkei nur etwa 0,6 Prozent der Basiswerte ausmacht. Aufgrund der Probleme in der Türkei befürchten Investoren nun, dass auch andere Länder, insbesondere finanzschwache, das gleiche Schicksal ereilen könnte. Daher haben sie ihr Geld aus den Schwellenländern abgezogen, wodurch weitere Währungen wie der argentinische Peso unter Druck gerieten. Experten zufolge seien die Befürchtungen jedoch unbegründet: "Die Krise in der Türkei wirft Sorgen über schwächere Schwellenländer auf, die ähnlich hohe Leistungsbilanzdefizite wie Brasilien, Südafrika und Argentinien aufweisen. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Schwellenländer insgesamt eine viel stärkere Finanzlage haben als vor 20 Jahren", merkt Wells Fargo an.

"Die Türkei-Krise erinnert an die Tequila-Krise Mitte der neunziger Jahre, als die mexikanische Währung wie aus dem Nichts abstürzte und eine Wirtschaftskrise in Mexiko auslöste. Der Vorteil heute ist, dass das globale Finanzsystem seither viel stabiler geworden ist", sagt auch UBS-Währungsexperte Thomas Flury.

Auch Banken sind betroffen

Trotz der Tatsache, dass das globale Engagement im türkischen Bankensektor relativ gering ist, wurden auch Bankaktien von der Türkei-Krise mit nach unten gezogen. Die Talfahrt der Lira sorgte weltweit für Unruhe am Währungsmarkt, besonders betroffen waren dabei die USA, Europa und Japan.

Die spanische BBVA, die italienische UniCredit sowie die französische BNP Paribas sind die Banken aus der Eurozone mit dem größten Geschäft in der Türkei und hatten aus diesem Grund besonders mit heftigen Kursverlusten zu kämpfen. Investoren befürchten, die Schwäche der türkischen Banken könnte auf ausländische Kreditgeber übergreifen, die über Vermögenswerte in der Türkei verfügen. "Die Schwachstelle in dieser ganzen Einrichtung ist das Bankensystem. Ich denke, im Moment sind wir immer noch an einem guten Ort. Wenn wir in neun bis zwölf Monaten immer noch in der gleichen Situation sind, denke ich, dass die Banken hier das schwächste Glied sind", sagte Nafez Zouk, führender Ökonom der Schwellenländer bei Oxford Economics.

Thomas Flury gibt jedoch auch hier Entwarnung, er hält die Türkei-Krise nur für einen "Trigger" für den aktuellen Kursrückgang der Währungen. In letzter Zeit hätten sich zu viele Unsicherheitsfaktoren angesammelt, "die Türkei hat das Fass zum Überlaufen gebracht".

Redaktion finanzen.at

Weitere Links:


Bildquelle: dgcampillo / Shutterstock.com,Faraways / Shutterstock.com,grafvision / Shutterstock.com
Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!