26.06.2018 23:03:43

Westfalen-Blatt: das WESTFALEN-BLATT zum Mindestlohn

Bielefeld (ots) - Nun sind es also tatsächlich die erwarteten 9,19 Euro je Stunde, auf die der Mindestlohn in Deutschland zum Jahreswechsel steigen soll. Die Expertenkommission mit Vertretern von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaft hat sich an den reinen Zahlen orientiert - und nicht an den Forderungen der verschiedenen Interessensgruppen. Dass es 2020 einen zweiten Schritt auf 9,35 Euro geben und nicht erst turnusgemäß 2021 die nächste Anhebung folgen soll, ist so etwas wie ein Kompromiss. Die Gewerkschaften waren zuvor für eine stärkere Erhöhung der untersten Vergütungsgrenze eingetreten, für einen Mindestlohn, der auf mittlere Sicht existenzsichernd sein solle. Die Wirtschaft hat vor einer zu starken Anhebung gewarnt, die Beschäftigung kosten könne.

Klar ist, dass Menschen auch mit 9,35 Euro in der Stunde keine großen Sprünge machen können. Für einen Vollzeitbeschäftigten bedeuten rund 1600 Euro brutto knapp 1200 Euro netto im Monat. Deshalb gehört zur Realität, dass viele Mindestlohnbezieher darauf angewiesen sind und auch künftig sein werden, mit staatlichen Mitteln aufzustocken, um über die Runden zu kommen. Und Armut im Alter bleibt für Niedriglohnempfänger ein großes Zukunftsproblem.

Nichtsdestotrotz kommt dem Mindestlohn als Untergrenze eine wichtige Rolle und Signalwirkung zu. Er hat vielen Arbeitnehmern genützt. Und er hat nicht die von Kritikern prophezeiten Verwerfungen am Arbeitsmarkt mit dem Wegfall zigtausender Jobs zur Folge gehabt.

Entscheidend ist, dass der Mindestlohn nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch tatsächlich im Portemonnaie der Arbeitnehmer ankommt. Deshalb sind mehr und bessere Kontrollen unerlässlich. Für eine angemessene Entlohnung der Beschäftigten, eine starke Binnenkonjunktur und auch einen fairen Wettbewerb der Unternehmen ist der Mindestlohn ein Baustein. Von noch größerer Bedeutung für viel breitere Arbeitnehmerschichten aber ist die Tarifbindung. Um Lohndumping und eine gefährliche Abwärtsspirale zu verhindern, muss die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen gestärkt werden - so wie es etwa im NRW-Gastgewerbe oder bei den Friseuren der Fall ist. Denn inzwischen arbeitet hierzulande kaum noch jeder zweite Beschäftigte in einem Unternehmen, das tarifgebunden ist. Gravierende Einkommensunterschiede bei gleicher Arbeit und eine riskante Wettbewerbsverzerrung sind die Folge.

Deshalb muss die Große Koalition ihrer Ankündigung, die Tarifbindung stärken zu wollen, jetzt auch entschlossen Taten folgen lassen. Um eine gute Bezahlung zu sichern, um Abstiegsängste zu vertreiben - und auch um heute Altersarmut von morgen vorzubeugen.

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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Chef vom Dienst Nachrichten Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261

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