20.11.2014 21:33:00
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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Rente mit 63
Bielefeld (ots) - Kaufleute, die ein tolles Sonderangebot ins
Schaufenster stellen, kennen das: Kunden könnten den Laden stürmen.
Bei Politikern ist das anders - zumindest bei Sozialpolitikern wie
Andrea Nahles (SPD) und Karl-Josef Laumann (CDU). Sie haben die Rente
mit 63 in den Koalitionsvertrag gerückt mit der Devise »wird schon
nicht so teuer«. Der vorgezogene und abschlagsfreie Ruhestand ist ein
echtes Schnäppchen für die Begünstigten. In den ersten zwölf Monaten
der Neuregelung betrifft das die Jahrgänge 1949 bis 1952. 163 000
haben von Juli bis Oktober schon die volle Rente nach 45
Beitragsjahren beantragt. Die vorauskalkulierte Größe von 240 000
Anträgen in zwölf Monaten dürfte schneller erreicht sein, als das
erste Jahr rum ist. Kurzum: Das Angebot ist super - nur nicht für
die, die zahlen müssen. Gestern schreckte eine Berechnung der
»Rheinischen Post« sowohl das Sozialministerium als auch die
Rentenversicherung auf. Beide Stellen konnten zwar im Laufe des Tages
klarstellen, dass die Kosten nicht explodieren, mussten aber
einräumen, dass sie stärker steigen als geplant. Wie das? Auch dafür
hatte das Haus von Andrea Nahles eine Erklärung parat. Bislang waren
nur die Kosten für die Rentenzahlungen, nicht aber die für die damit
einhergehenden Beitragsausfälle beziffert worden. So gesellen sich zu
den für 2015 im Gesetz genannten 0,9 Milliarden noch 250 Millionen
für die Ausfälle, weitere 250 Millionen für die politische
Hereinnahme von Zeiten freiwilliger Sozialversicherung plus 100
Millionen wegen erhöhter Nachfrage: So werden aus 0,9 Milliarden ganz
schnell satte 1,5 Milliarden Euro. Fast alles sei eingepreist,
versichert Nahles' Behördensprecher. Aber niemand fasst die noch
brisantere Hochrechnung der »Rheinischen Post« an, wonach am Ende
alles doppelt so teuer werden könnte. Tatsächlich ist das
Sonderangebot noch zu frisch auf dem Markt, als dass wirklich exakt
abzuschätzen wäre, wie sich die Nachfrage langfristig bis 2030
entwickelt. Aber eines ist schon heute klar: bei den
Koalitionsverhandlungen und beim schnellen Beschluss über das zum 1.
Juli 2014 in Kraft getretene Gesetz wurden die warnenden Stimmen, die
es gab, geflissentlich überhört. Nicht nur die Mittelständler um
Carsten Linnemann (CDU) aus Paderborn, auch viele andere Experten
wiesen auf das dünne Eis hin, auf das sich die Große Koalition da
wagte. Und jetzt? Das Angebot ist auf dem Markt. Wollte man es wieder
aus dem Schaufenster nehmen, würde das Publikum nicht nur die Scheibe
davor einwerfen. Es gibt kein Zurück, sondern die Verpflichtung,
jetzt die Rente mit 63 auf finanziell solide Füße zu stellen. Das
heißt, der Finanzminister muss Steuergelder zu den Sozialbeiträgen in
die Rentenkasse legen. Für Ministerin Nahles ist das kein Problem.
Genau so funktioniert nach ihrer Lesart Sozialpolitik.
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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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