06.11.2014 21:12:57
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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Steuersparmodellen
Bielefeld (ots) - Die Vorstellung, dass ausgerechnet der als
»Mister Europa« hochdekorierte Kommissionspräsident zuhause als
Premier alle Tricks genutzt hat, um Unternehmen Steuerspar-Modelle
anzubieten, mag zynisch klingen. Aber es soll doch niemand so tun,
als habe man nicht auch in Brüssel gewusst, dass das Großherzogtum
ebenso wie andere Regionen dieser Gemeinschaft jahrelang die
Steuerpolitik als Wettbewerbsinstrument genutzt hat. Das war nicht
illegal, höchstens unmoralisch - weil die betroffenen
Mitgliedsstaaten sich mit den Geldern, die dem Fiskus ihrer Nachbarn
entzogen wurden, bereicherten. Eine »Affäre Juncker« ist das nicht.
Sie wird es nur dadurch, dass der neue Kommissionspräsident mit
ansehen muss, wie das eigene Haus gegen Praktiken ermittelt, die er
selbst initiiert haben soll. Dabei geht es um Verstöße gegen den
freien Wettbewerb, nicht um strafrechtlich relevante Vorwürfe.
Sollten sich die Anschuldigungen erhärten, wäre Juncker in seinem
neuen Amt vielleicht nicht untragbar, aber sicher entzaubert. Das
dürfte ebenso folgenschwer sein. Dennoch entbehrt das Verhalten der
geschädigten Mitgliedsstaaten nicht einer doppelten Moral. Über lange
Jahre hat man gewusst, dass Österreich, Luxemburg, Irland oder die
britischen Inseln für Briefkastenfirmen offenstanden, deren einziger
Sinn das Sparen von Steuern war. Noch heute können sich große
Konzerne arm rechnen, wenn sie ihre Zentralen in die Niederlande
verlegen, um so ihre Abgaben auf Lizenzgewinne zu drücken. Solche
Praktiken kann man anprangern, aber nicht abstellen, weil die Regeln
für den Fiskus zur Hoheit der Mitgliedsstaaten zählt. Gerade hat man
sich auf einige Schritte verständigen können, um Gewinne auch
außerhalb der eigenen Grenzen zu erfassen. Ein Durchbruch ist das
nicht, sonst gäbe es eine Finanztransaktionssteuer längst EU-weit.
Luxemburg ist kein Einzelfall, sondern nur ein Beispiel von vielen.
Die jetzigen Enthüllungen entlarven die Praxis, die Schamlosigkeit,
mit der Regierungen sich der Tricks von Finanzberatern bedienten, um
Oasen zu schaffen, wohl wissend, wie sehr sie ihre Nachbarn damit
schädigen. Allerdings ist die Vorstellung, dass der langjährige Chef
der Euro-Gruppe in Brüssel über den Kampf gegen »kreative
Steuerspar-Modelle« mit seinen Kollegen beraten hat, um die zuhause
weiter vorzubereiten, schon ein starkes Stück. Die Hoffnung auf eine
wirklich unabhängige Ermittlung wegen Wettbewerbsverstößen durch die
Kommission, der Juncker selbst vorsitzt, fällt zumindest schwer. Die
Mitgliedsstaaten selbst müssen Schritte tun, um gerade in
Steuerfragen das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen. Ab 2016
sollen Daten, Gewinne, Einnahmen offengelegt und grenzüberschreitend
an die Heimatstaaten den Anleger gemeldet werden. Das Ende des
Bankgeheimnisses scheint beschlossen zu sein. Dies darf nicht nur für
Privatpersonen gelten, sondern muss Unternehmen einbeziehen.
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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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