23.02.2015 20:43:00
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Westdeutsche Zeitung: Woelki leitet Abkehr von der Volkskirche ein
Düsseldorf (ots) - Rhetorisch ist der Fastenhirtenbrief von Rainer
Maria Kardinal Woelki ein Meisterwerk: Der Kölner Erzbischof kündigt
den Katholiken des reichsten Bistums Deutschlands (aktuelles
Vermögen: 3,35 Milliarden Euro) zur Fastenzeit einen neuerlichen
rigiden Sparkurs an, ohne ihn so zu nennen. "Gemeindliche und
kirchliche Erneuerung ist insofern kein administrativer Vorgang,
sondern ein geistlicher Weg", heißt das in den Worten des Bischofs
von rund zwei Millionen Katholiken. Was damit gemeint ist, dürften
die Gemeindemitglieder in den 528 Pfarreien der verbliebenen 180
Seelsorgebereiche bald zu spüren bekommen. Denn Kardinal Woelki hat
mit seinem Hirtenbrief im Erzbistum Köln nicht weniger als die
endgültige Abkehr vom Konzept der Volkskirche eingeleitet. So
überraschend sich das am Sonntag für viele Katholiken angehört haben
mag - eine Revolution ist das nicht. Der katholische Pastoraltheologe
und Religionssoziologe Paul Zulehner fordert seit Jahren von den
Kirchenfürsten, die Idee der Volkskirche aufzugeben und eine
zeitgemäße Vision von Kirche zu entwickeln, statt sich an alte
Strukturen zu klammern und eine Verzweiflungs-Reform nach der
nächsten durch die Gemeinden zu jagen. Oder wie Kardinal Woelki es
sehr viel eleganter formuliert: "Es darf uns doch nicht nur um die
sieben bis zwölf Prozent derer gehen, die sonntags die Heilige Messe
mitfeiern oder gar nur um die in der Regel noch kleinere Gruppe der
sogenannten Kerngemeinde." Damit greift der Erzbischof die keineswegs
neue Kritik auf, die in der katholischen Kirche schon seit
Jahrzehnten anhand des Gleichnisses vom verlorenen Schaf vorgetragen
wird. Nämlich dass die Kirche als Hirte sich so intensiv um das eine
verirrte Schaf gekümmert habe, dass ihr die 99 anderen längst
davongelaufen seien. Woelki will nun ausdrücklich "auch die anderen
85 bis 90 Prozent im Blick" behalten, die mit der bisherigen
Gemeinde-Organisation nicht mehr zu erreichen sind. Das dürfte den
rund 60 000 hauptamtlich Beschäftigten und 200 000 ehrenamtlich
engagierten Katholiken im Bistum nur bedingt gefallen, stehen doch
ihre Strukturen jetzt zur Diskussion. Kardinal Woelki hat eine
spannende Mission vor sich.
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