26.08.2018 20:13:42

Westdeutsche Zeitung: Gesichtsverschleierung im Gericht Kommentar der Westdeutschen Zeitung

Düsseldorf (ots) - Mit offenem Visier

Von Peter Kurz Populistisch? Oder dem bayerischen Wahlkampf geschuldet? Natürlich werden sie kommen, solche Vorwürfe, in denen sich Kritiker daran reiben, dass Bayern (in Wahlkampfzeiten), aber gleichzeitig auch NRW eine gemeinsame Initiative über den Bundesrat einbringen, wonach Gesichtsverhüllungen im Gerichtssaal verboten werden sollen. Das Gegenargument: Religionsfreiheit. Sieht eine Frau eine Verschleierung für sich als religiös verpflichtend, dann dürfe man sie weder als Angeklagte noch als Zeugin zwingen, diesen Schleier im Gericht zu lüften. Doch dieser Einwand sticht nicht. Das wird jeder nachvollziehen, der irgendwann mal in einem Gerichtssaal war, in dem der Richter einen Zeugen vernimmt. Da kommt es auf Fragen an wie: wie detailreich ist die Aussage, wo gibt es Widersprüche, wie stimmt sie mit früheren Einlassungen überein. Bei all dem spielt aber auch etwas anderes eine erhebliche Rolle: die Körpersprache, insbesondere die Mimik, ausweichende Blicke, Schweiß auf der Stirn. Auch wenn das keine harten Beweise für eine mögliche Falschaussage sind - Indikatoren sind es durchaus. Könnte sich ein vor Gericht Befragter hinter einem Schleier verstecken, wären diese "weichen" Faktoren, die für die Beweiswürdigung durch den Richter aber durchaus eine wichtige Rolle spielen, nicht mehr auszuwerten. Von einer Aussage vor Gericht und deren richterlichen Bewertung kann viel abhängen. Nicht nur das Schicksal eines Angeklagten mit Blick auf die Frage, ob er oder sie verurteilt wird. Geht es um eine Zeugenaussage, so hängt von deren Beurteilung auch das Schicksal Dritter ab. Bei einem Richterspruch, der sich auf eine solche Aussage stützt, entscheidet diese über den Ausgang des Prozesses und damit über weitreichende Folgen - persönliche und finanzielle. Wer von den Auswirkungen einer Zeugenaussage betroffen ist, die gewissermaßen aus einer Black Box kommt, wird kein Verständnis dafür haben, dass er dies mit Blick auf die Religionsfreiheit hinnehmen soll.

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Pressekontakt: Westdeutsche Zeitung Nachrichtenredaktion Telefon: 0211/ 8382-2370 redaktion.nachrichten@wz.de www.wz.de

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