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27.08.2023 14:21:38

Vor Kabinettsklausur: Wirtschaft fordert von Ampel einen Kurswechsel

BERLIN/FRANKFURT (dpa-AFX) - Wirtschaftsverbände fordern die Bundesregierung kurz vor deren Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg zu einem politischen Kurswechsel und zu spürbaren Entlastungen für Unternehmen auf. Die Regierung drohe den wirtschaftspolitischen Neustart zu Beginn der zweiten Regierungshalbzeit zu verstolpern, sagte Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutschen Presse-Agentur. "Je länger die Politik wartet, desto härter trifft es den Standort - und desto größer ist der Wohlstandsverlust. Meseberg ist eine Chance für einen Kurswechsel."

Zuletzt seien die Belastungen für Unternehmen deutlich größer geworden, sagte Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, der dpa. Aus Berlin und Brüssel kämen für Unternehmen "ständig mehr Pflichten, Anforderungen und Einschränkungen". Nötig sei "mehr Tempo für alle Planungs- und Investitionsvorhaben".

Auch Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), forderte ein Umdenken. "Die Zuversichtsrhetorik des Bundeskanzlers in allen Ehren, aber sie wird sich nur erfüllen, wenn es für den Rest der Legislaturperiode zu einem Kurswechsel in der Wirtschafts- und Industriepolitik kommt, die den Standort stärkt", sagte er der "Welt am Sonntag".

Bei der Klausur in Meseberg am Dienstag und Mittwoch könnte die Koalition ein Wachstumspaket auf den Weg bringen - unter anderem mit Steuerentlastungen. Die deutsche Wirtschaft ist nach dem frostigen Konjunkturwinter auch im Frühjahr nicht in Schwung gekommen.

Die Stiftung Familienunternehmen und Politik fordert wettbewerbsfähige Bedingungen: "Die Deindustrialisierung und die bereits laufende Abwanderung der Unternehmen müssen gestoppt werden." Zu einem 10-Punkte-Plan gehören konkret die Forderungen, die EU-"Überregulierung" zu stoppen und den Bürokratieabbau voranzutreiben. Die Unternehmensteuer müsse gesenkt und die sogenannte Verlustverrechnung ausgeweitet werden, hieß es. Beim Klimaschutz müsse es Versorgungs- und Planungssicherheit geben.

"Die Ampel-Koalition muss Handlungsfähigkeit zeigen und interne Unstimmigkeiten überwinden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Thilo Brodtmann, dem "Tagesspiegel". Nach einer Umfrage des Bundesverbands der Mittelständischen Wirtschaft bezeichneten mehr als 62 Prozent der befragten Firmen die Lage als schwierig, mehr als jedes vierte Unternehmen beschreibt die Situation sogar als sehr schlecht. Fast jedes zweite befragte Unternehmen will demnach in den kommenden zwölf Monaten keine Neueinstellungen vornehmen.

Der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, sagte der dpa, das Bundeskabinett sollte jetzt zügig für verlässlich tragfähige Energiepreise sorgen und dafür die Stromsteuer absenken oder abschaffen, die Netzentgelte reformieren und die Einführung des Industriestrompreises beschließen.

Ein staatlich subventionierter niedriger Industriestrompreis ist in der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP umstritten. Die SPD-Fraktion und die Grünen sind dafür, die FDP lehnt einen Industriestrompreis ab - wie auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Für den Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, ist ein Brückenstrompreis als Übergangslösung ein "Must-have" für seine Branche. Dafür müsse "nun auch der Kanzler den Weg" frei machen, sagte er dem "Tagesspiegel".

Wirtschaftsforscher Hüther warnte vor weiteren Verzögerungen beim Wachstumschancengesetz. Mit dem Gesetz plant Finanzminister Christian Lindner (FDP) Steuererleichterungen für die Wirtschaft in Höhe von jährlich rund sechs Milliarden Euro. Wegen eines Streits um die Kindergrundsicherung hatte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) den Gesetzentwurf aber blockiert.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann fordert von der Ampel Geschlossenheit - sowohl wenn es um Hilfe für die Industrie und ihre Beschäftigten als auch um die Bereitstellung von Mitteln für Kinder aus armutsbetroffenen Familien gehe, wie er dem "Tagesspiegel" sagte.

Kanzler Scholz hatte angekündigt, das Kabinett werde das Wachstumschancengesetz bis Ende August beschließen, also bei der Kabinettsklausur im Gästehaus der Bundesregierung auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin./hoe/DP/he

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