17.11.2015 23:05:46

UPDATE3/Terror erreicht Deutschland - Länderspiel abgesagt

   ---Anschlag in Hannover geplant

   ---Entscheidung über Absage erst kurz vor Anpfiff

   ---Noch keine Festnahmen

   (NEU: Details und Hintergrund nach Pressekonferenz in Hannover)

   Von Stefan Lange, Andreas Kißler und Christian Grimm

   BERLIN/HANNOVER (Dow Jones)--Die Sicherheitsbehörden haben offenbar in letzter Minute einen Terroranschlag auf das Fußball-Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden verhindert. Die Begegnung in der HDI Arena in Hannover wurde am Dienstagabend abgesagt. Hintergrund waren Hinweise auf einen Anschlag, wie Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern erklärten. Details zu Art und Umfang des offenbar geplanten Attentats wurden nicht bekannt.

   Der niedersächsische Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) gab am Dienstagabend auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz in Hannover bekannt, dass es bisher noch keine Festnahmen gegeben habe und auch kein Sprengstoff gefunden worden sei. Damit widersprach er Medienberichten, dass Terroristen einen Rettungswagen mit einer Bombe präpariert hätten. Das lasse sich " bislang nicht bestätigen", sagte Pistorius.

   Insgesamt sei die Austragung des Spiels nicht zu verantworten gewesen, erklärte der Landesinnenminister. "Es gab keinerlei Platz für Fehlinterpretationen", sagte der SPD-Politiker. Er lobte ausdrücklich die Zusammenarbeit mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière und dem gesamten Sicherheitsapparat. Pistorius versprach den Menschen in Hannover, dass die Polizei für ihre Sicherheit sorgen werde.

   Kurzfristige Entscheidung

   Die Absage des Fußball-Länderspiels erfolgte erst kurz vor dem Anpfiff, wie de Maizière bei der Pressekonferenz in Hannover erklärte. Er sei mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Hannover geflogen und nach der Landung ins niedersächsische Innenministerium gefahren. Kurz vorher sei über die Absage des Spiels entschieden worden, sagte der CDU-Politiker. De Maizière hatte um 17.30 Uhr noch eine Pressekonferenz in Berlin abgehalten und war anschließend nach Hannover abgereist. Das Spiel sollte um 20.45 Uhr angepfiffen werden.

   Hinweise auf die Gefährdung des Fußballspiels hätten sich "im Laufe des frühen Abends so verdichtet, dass die Sicherheitsbehörden des Bundes und ich nach Abwägung der Vor- und Nachteile, nach sorgfältiger Überlegung, aus Gründen des Schutzes der Bevölkerung dringend empfohlen haben, dieses Länderspiel abzusagen", sagte de Maizière und ergänzte: "Die Absage kam spät, das liegt daran, dass die Verdichtung der Hinweise und die daraus folgende Abwägung nicht früher möglich war." In einer solch schwierigen Lage habe "im Zweifel der Schutz der Menschen Vorrang, und diesem Zweifel sind wir heute deswegen gefolgt".

   Minister bittet um Vertrauensvorschuss

   Nähere Angaben zu dem möglichen Terroranschlag machte de Maizière nicht. Er bitte die Öffentlichkeit um Verständnis, dass er "aus ganz grundsätzlichen Erwägungen" die Quelle und das Ausmaß der Gefährdung nicht weiter kommentieren könne, sagte der Minister. Dies würde die künftige Arbeit der Sicherheitsbehörden behindern. Er bitte diesbezüglich "die deutsche Öffentlichkeit um einen Vertrauensvorschuss". De Maizière betonte aber auch: "Die Gefährdung für Deutschland und Europa ist hoch." Die Lage sei ernst.

   Bei den deutschen Sicherheitsbehörden gingen immer wieder Hinweise aus dem In- und Ausland "auf denkbare Anschläge, auf künftige Gefährdungen, auf bestimmte Personen" ein, sagte der Bundesinnenminister. Nach Anschlägen wie denen in Paris steige üblicherweise ein solches Aufkommen von Hinweisen. Es gehöre "zu den schwierigsten Aufgaben der Sicherheitsbehörden, die Seriosität, die Glaubwürdigkeit, die Ernsthaftigkeit solcher Hinweise zu bewerten. Das ist nicht leicht."

   "Umgehend Heimreise antreten"

   Die Polizei vor Ort forderte unmittelbar nach dem Beschluss zur Absage des Spiels per Lautsprecherdurchsagen im und vor dem Stadion "alle Personen auf, umgehend die Heimreise anzutreten. Das Fußballspiel wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt. Es besteht für sie jetzt hier kein Grund, sich hier noch länger aufzuhalten."

   "Wir haben konkrete Hinweise gehabt, dass jemand im Stadion einen Sprengsatz zünden wollte", sagte Hannovers Polizeipräsident Volker Kluwe. "Die Hinweise, die wir hatten, bezogen sich konkret auf das Stadion. Was wir nicht wissen, wenn wir von der Ernsthaftigkeit ausgehen, was diese potenziellen Attentäter dann ersatzweise planen", sagte er. Man habe größere Menschenansammlungen etwa an Haltestellen vermeiden wollen und die Menschen deshalb nach Hause geschickt.

   Mannschaften in Sicherheit

   Sowohl die deutsche als auch die niederländische Nationalmannschaft sind nach den Worten des kommissarischen DFB-Präsidenten Reinhard Rauball in Sicherheit. Etwa 5 Kilometer vor dem Stadion seien beide Mannschaftsbusse umgekehrt und an eine Polizeiwache gefahren, erklärte.

   Die Spieler aus den Niederlanden wurden laut Rauball zum Flieger in die Heimat gebracht. Das DFB-Team habe sich getrennt. Während die Spieler von Bayern München ebenfalls eine Maschine genommen hätten, sei der Rest der Mannschaft in Autos nach Hause gefahren.

   "Es ist ein trauriger Tag für Deutschland und ein trauriger Tag für den deutschen Fußball. Sicher auch für den holländischen Fußball", erklärte ein sichtlich bewegter DFB-Boss.

   Die Nationalmannschaft war bereits beim Spiel gegen Frankreich am Freitagabend unmittelbar vom Terror betroffen. Dass der Elf von Jogi Löw so etwas binnen vier Tagen zwei Mal passieren würde, "das war in meiner Vorstellungskraft nicht vorhanden", sagte Rauball. Der Fußball in Deutschland, so der DFB-Chef, habe mit dem heutigen Tag eine Wendung in vielen Facetten genommen.

   "Zügig, ohne Panik"

   Die nach Polizeiangaben rund 3.000 Besucher und Mitarbeiter, die sich bereits im Stadion aufhielten, wurden aufgefordert, sich "zügig, aber ohne Panik" nach Hause auf den Weg zu machen. Im und ums Stadion in Hannover waren unter den Eindrücken der Anschläge von Paris mehrere Einheiten der Spezialeinheit GSG 9 stationiert.

   Nach den Anschlägen von Paris am vergangenen Freitag, die unter anderem in der Nähe des Fußballstadions Stade de France verübt wurden, sollte das Freundschaftsspiel ursprünglich als "deutliches Zeichen gegen den Terror" stattfinden.

   (Mitarbeit: Stefanie Haxel)

   Kontakt zum Autor: stefan.lange@wsj.com

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   November 17, 2015 16:35 ET (21:35 GMT)

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