29.06.2015 20:06:47

UPDATE2/Merkel offen für Verhandlungen mit Athen nach Referendum

   --Kanzlerin unterrichtet Fraktionen über Griechen-Krise

   --Zuspitzung befeuert Debatte über drittes Hilfspaket

   --Schäuble sieht schwarze Null nicht gefährdet

   (NEU: Fraktionssitzungen)

   Von Andreas Kißler und Stefan Lange

   BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in der Griechenland-Krise Verhandlungsbereitschaft gegenüber der griechischen Regierung nach dem für Sonntag geplanten Referendum signalisiert. Nach einer Unterrichtung der Partei- und Fraktionschefs im Kanzleramt über die jüngste Entwicklung bestand sie aber zugleich auf Reformen als Gegenleistung für Hilfen an Athen. Am Abend informierte die Kanzlerin die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen über die Ereignisse, unter denen verstärkt auch über ein drittes Hilfspaket diskutiert wurde.

   Nach dem Auslaufen des Hilfsprogramms am Dienstag gebe es "keinerlei Programmgrundlage mehr für Griechenland", sagte Merkel. "Wir haben allerdings heute deutlich gemacht: Sollte die griechische Regierung, nach dem Referendum zum Beispiel, um weitere Verhandlungen bitten, werden wir uns selbstverständlich solchen Verhandlungen nicht verschließen", betonte Merkel. Eine kurzfristige Zwischenfinanzierung schloss sie aber aus. "Dafür gibt es keine Rechtsgrundlagen." Die Zuspitzung der Griechenland-Krise befeuerte bei den Regierungsparteien jedoch die Debatte über ein drittes Hilfspaket.

   Oppermann sieht Tür für drittes Hilfspaket offen

   Wegen der Krise kamen die Koalitionsfraktionen am frühen Abend zu Sondersitzungen zusammen. Merkel unterrichtete im Reichstagsgebäude erst eine Dreiviertelstunde lang den Koalitionspartner SPD, bevor sie dann wieder zu ihrer eigenen Fraktion eilte. Dort berichtete Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Abgeordneten über den Verlauf der Ereignisse vom Wochenende.

   Schäuble betonte dabei nach Angaben eines Sitzungsteilnehmers, er sehe in der gegenwärtigen Lage "keine dramatische, unkontrollierbare Zuspitzung".

   SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte vor der Sitzung, die Volksabstimmung am Sonntag gehe hoffentlich zugunsten des Euro aus. Gleichzeitig signalisierte er Gesprächsbereitschaft für den gegenteiligen Fall: "Die Tür bleibt jedenfalls offen für Gespräche mit Griechenland für ein drittes Hilfsprogramm." Bislang hatten Union und SPD einem dritten Hilfspaket nicht das Wort geredet.

   Unions-Fraktionschef Volker Kauder machte jedoch deutlich, dass ein eventuelles drittes Paket nicht leicht zu stemmen wäre. Das Programm müsse nach den ESM-Regeln verhandelt werden, erklärte der CDU-Politiker. "Das ist ein ganz anderes Regime als bisher." Nach dem Ergebnis der Volksbefragung müsse abgewartet werden, was sich Griechenland vorstelle.

   Fuchs erkennt keine Basis für weitere Verhandlungen

   Finanzpolitiker der Union beharrten am Rande der Sitzung allerdings darauf, dass Athen auch in der zugespitzten Situation keine Schulden erlassen werden dürften.

   "Es gibt keinen Schuldenerlass für Griechenland", betonte der Obmann der Union im Finanzausschuss, Hans Michelbach (CSU). Dies sei immer das Ziel der griechischen Regierung gewesen - doch man müsse darauf bestehen, dass Griechenland "auch auf Dauer" für diese Schulden hafte. "Es darf in der Währungsunion keine Schuldenunion und keine Transferunion geben", mahnte Michelbach. "Heute nicht und in der Zukunft nicht."

   Auch Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) sagte, "selbstverständlich" werde man das Geld von Athen weiter einfordern. "Es gibt ja keinen Haircut, und es gibt auch kein Versprechen, dass wir einen Schuldenschnitt machen", sagte er. "Da ist momentan nicht daran vorbeizukommen."

   Fuchs sprach sich aber dagegen aus, nun mit Athen unter den gegebenen Bedingungen in erneute Verhandlungen einzutreten. "Warum soll man jetzt weiterverhandeln, ohne dass die Griechen irgend ein Angebot unterbreiten?", fragte er.

   Merkel sieht zurzeit keinen Grund für Sondergipfel

   Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte die Staats- und Regierungschefs der Eurozone in einem Brief gebeten, das Hilfsprogramm um einen Monat zu verlängern. "Ich ersuche Sie, dass Ihre Regierung in der Frage die eigene Position noch einmal überdenkt", schrieb Tsipras an seine Amtskollegen. In dem Schreiben verteidigte er gleichzeitig das Referendum als demokratisches Recht des griechischen Volkes.

   Die Verhandlungen über eine Rettung Griechenlands vor dem Staatsbankrott waren am Samstag gescheitert, nachdem Athen das Angebot der Gläubiger für eine Einigung abgelehnt und ein Referendum für den 5. Juli angekündigt hat.

   Tsipras forderte die Wähler auf, mit "Nein" zu stimmen. Nachdem die EZB den Notkreditrahmen für die griechischen Banken eingefroren hat, gelten in dem Land seit Montag Kapitalverkehrskontrollen, und die Banken sind geschlossen.

   Merkel beharrte aber auf Reformen als Gegenleistung für europäische "Solidarität". Würden europäische Prinzipien nicht mehr eingehalten, scheitere der Euro, warnte die Kanzlerin. Der Bundestag will sich nun am Mittwoch mit Griechenland befassen, kündigte sie an. Einen EU-Sondergipfel werde es aber frühestens nach dem Referendum geben, weil es für Merkel im Augenblick "keinen zwingenden Grund" für einen solchen gibt.

   Ausgeglichener Bundeshaushalt soll nicht infrage stehen

   Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte, das geplante Referendum sei im Kern ein "Ja" oder "Nein" zum Euro-Verbleib Griechenlands. "Wir sind sicher, der Euro bleibt eine stabile und sichere Währung", betonte er aber. Gabriel beklagte, die griechische Regierung stelle sich gegen die Anforderungen an Hilfsprogramme und wolle offenbar eine "andere Eurozone".

   Schäuble betonte unterdessen in einem Brief an die Bundestagsabgeordneten, er erwarte nach dem Auslaufen des griechischen Hilfsprogramms nur "begrenzte" Effekte auf andere Länder. "Die Eurozone ist in einer wesentlich besseren Verfassung als noch vor wenigen Jahren", konstatierte er. "Das Auslaufen des Hilfsprogramms wirkt sich daher in erster Linie auf Griechenland selbst aus." Selbst wenn es zu Ausfällen komme, würde sich dies erst schrittweise auf den deutschen Haushalt auswirken und "die Leitlinie ausgeglichener Bundeshaushalte auf absehbare Zeit nicht gefährden".

   Opposition fordert Rettung Griechenlands

   Andere Politiker der Großen Koalition warnten vor heftigen Auswirkungen in Griechenland selber. "So, wie es jetzt ist, läuft es ins Chaos", warnte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Carsten Schneider auf N24.

   Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus mahnte ein besonnenes Vorgehen der an, um die Auswirkungen auf die Finanzsysteme in Griechenland und den anderen Euro-Ländern zu begrenzen. "Man sollte das Drama aus der ganzen Sache rausnehmen", sagte er Dow Jones Newswires. Er sah nun die Bankenaufsicht gefordert, "die notwendigen Entscheidungen zu treffen, um das griechische Finanzsystem erst einmal zu schützen".

   Die Opposition forderte von Merkel aber eine Rettung Griechenlands in letzter Sekunde. Es werde kein Ende ohne Schrecken geben, wenn Griechenland aus der Währungsunion ausscheide, prophezeite Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Der Linken-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi verlangte, die Reformpolitik vollends aufzugeben. "Die ganze Sparpolitik, die den Süden kaputt macht, hat doch überhaupt nicht zu den Ergebnissen geführt, die man sich angeblich erhofft hat."

   (Mitarbeit: Christian Grimm und Andrea Thomas)

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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   June 29, 2015 13:36 ET (17:36 GMT)

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