08.06.2015 20:46:45

UPDATE/Varoufakis: Brauchen schnelle Einigung, müssen Unfall vermeiden

   -- Athens Finanzminister fordert Lösung für Schuldenkrise

   -- Varoufakis will von Merkel "Rede der Hoffnung"

   -- Offenbar gute Atmosphäre bei Treffen mit Schäuble

   -- Athen will Lösung für Schuldenkrise gemeinsam erarbeiten

   (NEU: mehr Varoufakis, Hintergrund)

   Von Andreas Kißler

   BERLIN (Dow Jones)--Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat eine schnelle Lösung der Schuldenkrise gefordert, um einen "Unfall" zu vermeiden. Beobachter befürchten, dass ein solcher in einer Insolvenz und einem Euro-Aus des Landes während der laufenden Verhandlungen bestehen könnte.

   "Was wir brauchen, ist eine schnelle Vereinbarung", sagte Varoufakis in Berlin bei einer Diskussionsveranstaltung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, bei der er zu dem Thema "Die Zukunft Griechenlands in der EU" sprach. "Wir müssen einen Unfall vermeiden." Die Geschichte würde einen solchen nicht als Versehen bewerten, warnte er. "Wir haben eine historische Pflicht, dies nicht geschehen zu lassen."

   Als Hauptstreitpunkte in den Verhandlungen benannte er die Frage des Primärüberschusses, das Steuer- und Pensionssystem. Natürlich sei Griechenland "ein unverantwortlicher Schuldner" gewesen, dazu hätten aber auch unverantwortliche Geldgeber gehört. Das Pensionssystem des Landes sei nicht nachhaltig, räumte Varoufakis ein. "Wir sind flexibel", sagte er mit Blick auf die Verhandlungen. Aber Athen wolle schrittweise "von einem nicht nachhaltigen System zu einem nachhaltigen" gelangen.

   Merkel soll "Rede der Hoffnung" für Griechen halten

   Varoufakis bekannte sich zu einer Privatisierung von Unternehmen, bei der aber ein Mindestniveau von Investitionen für die Erwerber ebenso festgeschrieben werden solle wie ein weiter stabiler Minderheitsanteil des Staates an den Unternehmen. Auch gelte es das Bankensystem zu reformieren. Dafür wolle Athen die noch verbliebenen 10,9 Milliarden Euro an noch nicht ausgezahlten Hilfsgeldern nutzen.

   Die Europäer seien kollektiv dafür verantwortlich, die Krise zu lösen, "ohne mit dem Finger auf den anderen zu zeigen", sagte der griechische Finanzminister. Athen gehe es darum, "das Geld zu maximieren, das wir zurückzahlen". Varoufakis schlug vor, Tilgungsleistungen an die Wachstumszahlen zu binden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte er dazu auf, eine "Rede der Hoffnung" für Griechenland zu halten.

   Merkel unterstrich am Mittag nach dem G7-Gipfel in Elmau noch einmal die Dringlichkeit einer Lösung im Schuldenstreit mit Griechenland, bestand zugleich aber auf einer Umsetzung von den Gläubigern geforderter Reformmaßnahmen durch die Regierung in Athen. "Ich kann nur sagen, jeder Tag zählt jetzt, um die notwendige Arbeit noch zu erledigen", sagte sie bei der Abschlusspressekonferenz. "Es ist nicht mehr viel Zeit - das ist das Problem."

   Varoufakis und Schäuble führen freundliches Gespräch

   Merkel machte klar: Grundlage für die Gespräche mit Griechenland sei weiterhin die Vereinbarung der drei Gläubiger-Institutionen EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF). "Auf dieser Basis laufen jetzt die Gespräche." Man wolle, dass Griechenland Teil der Eurozone bleibe - jedoch sei auch klar, "dass Solidarität der europäischen Länder und auch des IWF mit Griechenland auf der anderen Seite erfordert, dass Griechenland Maßnahmen umsetzt und vorschlägt".

   Am Morgen hatte Varoufakis Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) getroffen und nach dem Gespräch Hoffnungen auf einen guten Impuls für die festgefahrenen Verhandlungen in der Griechenland-Krise geäußert. Zu konkreten Inhalten sagten beide Seiten allerdings nichts.

   Schäuble und er hätten "ein langes, produktives Gespräch" geführt, das "in extrem freundlicher Weise" stattgefunden habe, sagte Varoufakis zu Journalisten. "Ich glaube, dass das heutige Gespräch sehr hilfreich sein wird, um den Prozess der letzten wenigen Tage oder Wochen zu festigen, bevor wir eine endgültige Einigung in den laufenden Verhandlungen haben."

   Athen will gemeinsam Lösung für die Krise erarbeiten

   Schäubles Ministerium bestätigte einen "freundlichen" und "konstruktiven" Charakter des Treffens, wollte aber keine inhaltlichen Details mitteilen. "Das Gespräch der beiden Minister war offen und konstruktiv", erklärte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. "Es verlief in freundlicher Atmosphäre."

   Varoufakis betonte nach dem Treffen mit Schäuble, dass beide "ein gemeinsames Verständnis des Problems" hätten. "Dies sind schwierige Zeiten für die Europäische Union und die Eurozone im Besonderen." Es sei deshalb "die Pflicht der gewählten Politiker, die Verantwortung auf eine hohe Ebene zu heben". Ziel sei eine gemeinsam erstellte und vereinbarte Lösung. Allerdings habe er mit Schäuble "nicht verhandelt", sondern eine gemeinsame Basis erarbeitet.

   EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte zuvor den Druck auf Athen erhöht. Die Absage von Ministerpräsident Alexis Tsipras im griechischen Parlament an die jüngsten Kompromissvorschläge nahm Juncker persönlich. "Ich war etwas enttäuscht von der Rede von Tsipras", sagte der Luxemburger beim G7-Gipfel.

   Die Zeit für Athen wird immer knapper

   Merkel und der französische Präsident Francois Hollande haben nach Angaben der Kanzlerin am Samstagabend mit Tsipras telefoniert. Am Mittwoch gebe es Gelegenheit, beim EU-Lateinamerika-Gipfel mit Tsipras darüber zu reden, "wie weit man gekommen ist", erklärte Merkel am Montag in Elmau.

   Die Zeit für Griechenland wird immer knapper, da das Land bis Ende Juni insgesamt gut 1,5 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen muss. Eine eigentlich bis zum 5. Juni fällige Zahlung von 300 Millionen Euro soll nun mit den anderen Zahlungen bis Monatsende gebündelt werden.

   Ende Juni läuft das bereits zwei Mal verlängerte Hilfsprogramm für Griechenland aus. Die Kreditgeber stellen aber Forderungen, die Athen für die Auszahlung der letzten Tranche von 7,2 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket erfüllen muss und ohne die das Land wohl spätestens im Juli zahlungsunfähig wäre.

   Unterdessen sind die Rufe nach einer harten Haltung gegenüber Griechenland angesichts der als wenig kompromissbereit angesehenen griechischen Haltung in Teilen der deutschen Politik lauter geworden. Sie gehen bis hin zu der Forderung nach einem Ausscheiden Athens aus dem Euro.

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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   June 08, 2015 14:15 ET (18:15 GMT)

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