20.05.2016 16:20:45

UPDATE/Parlament in Ankara stimmt für Aufhebung der Abgeordneten-Immunität

   --Merkel will persönlich mit Erdogan sprechen

   --Erdogan spricht von "historischem" Votum

   (NEU: Weitere Äußerungen von Erdogan, Reaktionen von Maas, Röttgen und den Grünen)

   ANKARA (AFP)--Das türkische Parlament hat mit Zweidrittelmehrheit für die Aufhebung der Abgeordneten-Immunität gestimmt und damit den Weg für Ermittlungen gegen dutzende Parlamentarier freigemacht. Der Entwurf der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP erhielt am Freitag 376 von 550 möglichen Stimmen. Berlin zeigte sich besorgt: Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte an, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wolle persönlich mit Präsident Recep Tayyip Erdogan über die Immunitäts-Aufhebung sprechen.

   Der umstrittene Plan ermöglicht die Strafverfolgung von Parlamentariern und könnte den Weg für unmittelbare Ermittlungen gegen 138 Abgeordnete freimachen. Darunter sind allein 50 der 59 Parlamentarier der Kurdenpartei HDP - diese betrachtet die Aufhebung der Immunität daher als deutlichen Affront gegen sich.

   Da die nötige Zweidrittelmehrheit für den Text deutlich erreicht wurde, wird er nicht dem Volk zur Abstimmung vorgelegt. Schon eine erste Abstimmung am Freitagmittag war mit 373 Stimmen deutlich ausgegangen. Anschließend sprach Erdogan, ohne die endgültige Abstimmung abzuwarten, von einem "historischen" Votum. "Mein Volk möchte im Parlament keine Abgeordneten sehen, die Verbrechen begangen haben", sagte er in Rize im Nordosten des Landes.

   Das gelte vor allem für Parlamentarier, die eine "separatistische Terrororganisation unterstützen", fuhr Erdogan fort. Damit bezog er sich auf die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Eine Schwächung der Kurdenpartei HDP würde das Kräfteverhältnis im türkischen Parlament von Grund auf ändern. Kritiker werfen Erdogan vor, er wolle die HDP politisch ausschalten, um die dann frei werdenden Mandate für seine AKP zu gewinnen.

   Entsprechend deutlich fiel das Echo auf die Abstimmung aus. Die Immunitäts-Aufhebung werde zu den Themen gehören, welche die Kanzlerin bei einem Treffen mit Erdogan am Montag in Istanbul ansprechen werde, sagte Seibert in Berlin. Das Gespräch soll demnach am Rande des UN-Gipfels für humanitäre Hilfe in Istanbul stattfinden.

   Seibert sprach angesichts der umstrittenen Parlamentsentscheidung in Ankara von einer "zunehmenden innenpolitischen Polarisierung" in der Türkei, welche die Bundesregierung "mit Sorge" sehe. "Wir messen der Presse- und Meinungsfreiheit eine zentrale Rolle bei", dies gelte für "alle Bürger und deren gewählte Vertreter", die ihr Mandat frei und unabhängig ausüben können müssten.

   Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) sieht die Beziehungen zur Türkei durch die umstrittene Abstimmung belastet. Eine "innenpolitsche Entwicklung dieser Dimension wirft mindestens einen Schatten auf die Beziehungen" und erfülle mit Sorge, sagte er in Brüssel. Darüber müsse offen mit Ankara gesprochen werden. "Wir wollen, dass dieser Schatten wieder verschwindet."

   Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) äußerte sich besorgt: "Kritische Abgeordnete dürfen nicht willkürlich der Strafverfolgung ausgesetzt sein", erklärte er. Wenn die Türkei EU-Mitglied werden wolle, dürfe sie ihren Rechtsstaat nicht aushöhlen.

   Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU) sagte dem "Tagesspiegel" vom Samstag, EU und Nato müssten "auf diesen Angriff auf die Demokratie mit aller Schärfe und Deutlichkeit reagieren". Die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms warf Erdogan vor, den "Umbau der Türkei" mit dem Ziel des Ausbaus der eigenen Macht voranzutreiben.

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

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   May 20, 2016 09:48 ET (13:48 GMT)- - 09 48 AM EDT 05-20-16

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