19.04.2015 17:19:45

UPDATE/Offenbar 700 Tote bei neuem Flüchtlingsdrama vor Libyen

   --Kaum Hoffnung auf Überlebende

   --EU setzt Krisentreffen an

   (NEU: Rettungseinsatz vor Ort, EU-Außenministertreffen, Reaktionen)

   ROM (AFP)--Vor der libyschen Küste hat sich offenbar das bislang schlimmste Flüchtlingsdrama im Mittelmeer ereignet: Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR vom Sonntag kenterte ein Trawler mit rund 700 Menschen an Bord. Lediglich 28 Flüchtlinge konnten demnach gerettet werden, dennoch suchten Helfer weiter nach Überlebenden. Die EU kündigte angesichts der Katastrophe ein Krisentreffen an.

   Das Schiff sei rund 110 Kilometer vor der Küste Libyens und rund 200 Kilometer von der italienischen Insel Lampedusa entfernt in Seenot geraten, sagte UNHCR-Sprecherin Carlotta Sami dem TV-Sender RAInews24. Es seien 28 Passagiere von einem Handelsschiff aufgegriffen worden.

   Der UNHCR-Sprecherin zufolge gibt es wohl keine weiteren Überlebenden. Sollten sich die Zahlen bestätigen, wäre es das "schlimmste Massensterben, das jemals im Mittelmeer gesehen wurde", sagte Sami.

   Das Schiff mit den Flüchtlingen setzte laut UNHCR in der Nacht zum Sonntag einen Notruf ab. Die maltesische Marine erklärte, gegen Mitternacht alarmiert worden zu sein. Die italienische Küstenwache wies daraufhin einen portugiesischen Frachter an, seine Route zu ändern. Das eigentliche Drama ereignete sich offenbar, als die rund 700 Flüchtlinge beim Eintreffen des Frachters alle auf eine Seite des kenternden Schiffes eilten.

   Am Sonntagmorgen waren insgesamt 17 Schiffe vor Ort, die Suche nach Überlebenden erschien allerdings zunehmend hoffnungslos. Laut italienischer Küstenwache wurden zunächst 24 Leichen geborgen. Dennoch suchten die Helfer am Sonntag weiter nach Überlebenden.

   "Sie suchen buchstäblich unter den im Wasser treibenden Leichen nach Überlebenden", sagte der Regierungschef von Malta, Joseph Muscat. Der EU machte er schwere Vorwürfe: "Es wird eine Zeit kommen, zu der Europa für seine Untätigkeit verurteilt wird, so wie es verurteilt wurde, als es beim Genozid wegschaute."

   Die EU-Kommission zeigte sich angesichts der Katastrophe "zutiefst betroffen" und kündigte eine Dringlichkeitssitzung der Innen- und Außenminister an. Dabei solle es vor allem darum gehen, die Flüchtlinge von den gefährlichen Überfahrten abzuhalten. Am Montag bereits wollen die EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Luxemburg außerplanmäßig über die Flüchtlingsfrage beraten.

   Papst Franziskus rief die internationale Gemeinschaft auf, angesichts der sich häufenden Flüchtlingstragödien "entschieden und schnell" zu handeln. Mit Blick auf das Unglück sagte er vor Gläubigen auf dem Petersplatz, es seien "Männer und Frauen wie wir, Brüder auf der Suche nach einem besseren Leben". Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einer "von Menschen gemachten Tragödie".

   Auf ihrem Weg von der afrikanischen Küste in die EU kommen jährlich tausende Flüchtlinge um. Die meist seeuntauglichen Boote werden von Menschenschmugglern organisiert, die angesichts des Chaos' in Libyen straffrei agieren können. Frankreichs Präsident François Hollande bezeichnete die Schmuggler am Sonntag als "Terroristen".

   Seit Jahresbeginn ertranken mehr als 1.500 Flüchtlinge zwischen Libyen und Italien, das jüngste Unglück mitgerechnet. In der vergangenen Woche erreichten zugleich mehr als 11.000 gerettete Flüchtlinge Italien. Die italienische Hilfsmission "Mare Nostrum" war 2014 eingestellt worden. Hintergrund war ein Streit in der EU, ob solche Missionen ungewollt noch mehr Flüchtlinge zur Überfahrt ermutigen.

   Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), erklärte am Sonntag, es sei eine "Illusion" gewesen, die Einstellung von "Mare Nostrum" werde die Menschen von den Überfahrten abhalten. Die Seenotrettung müsse wieder aufgelegt werden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte hingegen an, den Fokus auf den Kampf gegen Schlepperbanden legen zu wollen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte im ARD-"Bericht aus Berlin", es müsse mehr Stabilität nach Libyen gebracht werden. Nur so könne verhindert werden, dass Libyen weiterhin von den Schleppern genutzt werde.

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

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   April 19, 2015 10:49 ET (14:49 GMT)- - 10 49 AM EDT 04-19-15

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