12.07.2015 13:20:45
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UPDATE/Innen- wie außenpolitischer Zank um Griechenland
-- Gegensätzliche Meinungen in der Eurogruppe
-- Grüne wollen gegen Grexit-Plan Schäubles klagen
-- Schäuble hat sich mit Merkel abgestimmt
-- Bosbach bezweifelt Unions-Mehrheit für Rettungspläne
(NEU: Aussagen von Politikern zur Abstimmung im Bundestag, weitere Aussagen von Finanzministern der Eurozone)
Von Andreas Kißler und Ralf Zerback
BERLIN/BRÜSSEL (Dow Jones)--Die Gegensätze im Streit um Griechenlands Rettung verschärfen sich innen- wie außenpolitisch. Die Finanzminister der Eurozone tagen gegenwärtig erneut in Brüssel, nachdem sie sich am Samstag nicht einigen konnten. Im Vorfeld des neuerlichen Zusammenkommens wurden unterschiedliche Meinungen laut. Während etwa der slowakische Finanzminister sagte, eine Vereinbarung am Sonntag werde nicht mehr möglich sein, äußerte sich der italienische Finanzminister verbindlicher.
Auch innenpolitisch verschärft sich der Streit. Die Grünen wollen wegen des Plans von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für einen eventuellen zeitweisen Euro-Ausstieg Griechenlands notfalls vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe klagen. "Sollte dieser Vorschlag aufrechterhalten werden, werden wir uns in dieser Sache an das Bundesverfassungsgericht wenden, weil die Informationsrechte des Bundestags aus Artikel 23 Grundgesetz missachtet wurden", kündigten die Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter an.
Der Vorschlag eines zeitweiligen Grexits würde "für den deutschen Bundeshaushalt massive finanzielle Folgen bedeuten" und berühre neben den Informationsrechten auch die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages.
"Dass die Bundesregierung einen Euro-Austritt Griechenlands betreibt, ist ein historischer Fehler", kritisierten die Grünen. Schäuble sabotiere in Brüssel einen Kompromiss mit Griechenland, und das offenbar mit Wissen der Kanzlerin und des Vizekanzlers. Schäubles Vorgehen sei nicht nur inakzeptabel, sondern verfassungswidrig. "Er hätte einen solchen Vorschlag zuvor dem Deutschen Bundestag zuleiten müssen, damit sich dieser dazu im Vorfeld hätte verhalten können", monierten die Grünen. Auch auf Nachfrage der Fraktion habe die Bundesregierung nicht darüber informiert.
Während der laufenden Brüsseler Verhandlungen der Euro-Finanzminister zum Schicksal Griechenlands am Samstag war bekannt geworden, dass Schäuble erwägt, bei einem Scheitern der Griechenland-Verhandlungen einen vorübergehenden Austritt Athens aus der Währungsunion vorzuschlagen.
Schäuble bringt Athener Euro-Auszeit ins Spiel
In einem Vorbereitungspapier des deutschen Finanzministeriums, in das Dow Jones Newswires Einblick hatte, ist als eine Option ein so genannter "Grexit" für mindestens fünf Jahre genannt, in denen Athen seine Schulden restrukturieren soll. Sie soll für den Fall gelten, dass die andere in dem Dokument genannte Alternative nicht realisiert wird - nämlich dass Athen seine bisherigen Vorschläge schnell, umfassend und mit voller parlamentarischer Unterstützung nachbessert.
Offiziell sei der Vorschlag allerdings "nicht eingebracht worden", sagte der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling bei seinem Eintreffen zu der Fortsetzung der Gespräche am Sonntag in Brüssel. Sie waren in der Nacht unterbrochen worden.
Merkel trägt nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen Schäubles Vorschlag mit. "Alles, was Schäuble macht, ist mit der Bundeskanzlerin abgesprochen," sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter am Samstag zu Dow Jones Newswires. "Alles, was er sagt und tut, ist mit der Kanzlerin koordiniert worden", erklärte ein Vertreter des Finanzministeriums.
Gabriel war Schäubles Plan auch bekannt
Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) erklärte, er sei eingeweiht. "Der Vorschlag des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble für ein zeitlich befristetes Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ist der SPD natürlich bekannt", betonte er via Facebook. Zuvor hatten führende SPD-Politiker wie Fraktionsvize Carsten Schneider und Budgetsprecher Johannes Kahrs über Twitter noch heftige Kritik an dem Plan geübt.
Hintergrund des Vorschlages ist, dass Berlin offenbar mit den von Athen bisher vorgeschlagenen Maßnahmen einen Schuldenschnitt für unausweichlich hält, den es aber nach Überzeugung der Bundesregierung in der Eurozone nicht geben darf.
Griechenland hatte am Donnerstagabend eine 13-seitige Liste mit Reform- und Sparvorschlägen vorgelegt und verspricht sich dadurch ein neues, dreijähriges Hilfsprogramm vom europäischen Rettungsfonds ESM. Der gesamte Finanzbedarf wird mittlerweile auf 74 Milliarden Euro beziffert, von denen 16 Milliarden vom Internationalen Währungsfonds kommen sollen.
Athen kündigt in dem Programm unter anderem Steuererhöhungen und Privatisierungen sowie eine Rentenreform an. Viele Finanzminister haben von Athen noch detailliertere Reformpläne und Garantien zu deren Umsetzung im Parlament gefordert. Sie glauben, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht ausreichen, um die griechische Wirtschaft wieder auf eine tragfähige Basis zu stellen. Später tagen dazu die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder bei ihrem Sondergipfel am Sonntagnachmittag in Brüssel.
Einstweilen haben sich Politiker gegenüber Bild am Sonntag geäußert, wie sie sich im Fall einer Abstimmung im Bundestag verhalten werden. So kündigte Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt das Ja ihrer Fraktion zu einer "tragfähigen und langfristigen Lösung". Dagegen kündigte der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), Widerstand gegen ein drittes Hilfspaket an. Überdies könnte es nach seiner Meinung für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schwer werden, in der Union eine Mehrheit für ein drittes Hilfspaket zu organisieren. Auch die Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hat sich gegen ein weiteres Hilfspaket für Griechenland ausgesprochen.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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July 12, 2015 06:49 ET (10:49 GMT)
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