14.12.2014 15:18:48
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UKRAINE/Rüstung statt Reformen: Klamme Ukraine steckt Milliarden in die Armee
KIEW (dpa-AFX) - Martialisch stehen Dutzende fabrikneue Panzer auf dem Flugfeld des ukrainischen Militärstützpunkts Tschugujew unter grauem Winterhimmel. Gemächlich schreitet Präsident Petro Poroschenko in schwarzer Lederjacke mit Fellkragen das Kriegsgerät ab. Das Fernsehen zeigt, wie Dieselschwaden aus brummenden Motoren den Staatschef umhüllen. Jemand hat "Putin hau ab!" auf einen Panzer geschrieben.
Poroschenko nickt zufrieden. Ab sofort werde wieder mehr Geld in die Rüstung gesteckt, ruft er den Soldaten zu. "Wir müssen unser Pulver trocken halten." Subventionen für "nutzlose wissenschaftliche Programme, die dann doch nur gestohlen werden", würden hingegen gestrichen, kündigt der prowestliche Präsident an.
Poroschenkos Übergabe von Panzern, Haubitzen und Hubschraubern vor wenigen Tagen gilt als symbolisch im verlustreichen Kampf der Armee gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine. Hunderte Millionen Euro will die Ex-Sowjetrepublik trotz eines drohenden Staatsbankrotts in die Rüstung stecken. "Der Krieg macht es leider nötig", ist in Kiew immer wieder zu hören. Die unter anderem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) mit Nachdruck angemahnten Reformen werden dagegen aufgeschoben. Gespart wird bei Sozialausgaben: Das Rentenalter soll auf 65 Jahre steigen, Energiesubventionen sollen gekürzt werden.
Auf der Suche nach Kriegsgerät fragt Außenminister Pawel Klimkin auch in Deutschland an. "Für unsere Truppentransporter brauchen wir dringend Dieselmotoren", sagte er einer Zeitung. Die Bundesregierung reagiert zurückhaltend. "Eine militärische Unterstützung... steht nicht zur Debatte", sagt Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz.
In der Ukraine stößt die Entscheidung nicht nur auf Verständnis, vor allem nach einem misslungenen Drohneneinsatz. Im Herbst hatten Deutschland und Frankreich unbemannte Flugkörper zur Überwachung der Waffenruhe in Europas zweitgrößtem Flächenstaat in Aussicht gestellt. Doch bis heute verhindern auch technische Probleme eine Mission.
Deutschland will kein weiteres Anheizen des Konflikts und setzt auf eine politische Lösung in der Ostukraine. Eine vor wenigen Tagen vereinbarte neue Waffenpause ist zwar brüchig, aber sie hält. Doch Kiew rüstet sich für die befürchtete Wiederaufnahme des Krieges.
Von der Aufrüstung profitieren nicht nur Staatsunternehmen - Aufträge erhält pikanterweise auch die "Lenin-Schmiede": ein Werk, an dem der Großindustrielle und heutige Präsident Poroschenko beteiligt ist. Bei seinem Amtsantritt im Juni hatte er zwei zentrale Versprechen gegeben: er wolle Frieden herstellen sowie seine Firmen verkaufen, um unabhängig zu sein. Beides hat der 49-Jährige bisher nicht erfüllt.
Militärgüter kommen auch aus dem Ausland: So schickten Kanada und Australien Winteruniformen sowie Nachtsichtgeräte und Heizsysteme nach Kiew. Politische Sprengkraft steckt in einem neuen US-Gesetz ("Ukraine Freedom Support Act"), das Präsident Barack Obama zur Entsendung von Waffen in die Ukraine berechtigt. Obama lehnt dies bisher ab - und auch Russland warnt vor "schweren Konsequenzen".
In dem seit April tobenden Kampf gegen die Aufständischen, in dem bisher mehr als 4600 Menschen ums Leben kamen, sieht die Führung in Kiew die Aufrüstung als Notwendigkeit. Die Separatisten in den Krisenregionen Donezk und Lugansk erhielten Kriegsgerät aus Russland, betont Poroschenko. Mittlerweile hätten die Regierungseinheiten aber ein Übergewicht, meint er. Die ukrainische Armee sei heute sogar in der Lage, gegen die "allergrößte Militärmacht auf dem Kontinent" vorzugehen, tönt Poroschenko. Das wäre dann Russland./wo/ast/DP/zb
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