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Euro am Sonntag-Analyse 30.07.2016 16:00:02

Türkei nach dem Putsch: Aufruhr am Bosporus

von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Das "Geschenk Allahs" nimmt Recep Tayyip Erdogan an. Den fehlgeschlagenen Militärputsch nutzt der Staatspräsident der Türkei um "regierungsfeindliche Strukturen, die sich wie ein Krebsgeschwür ausgebreitet haben", zu beseitigen. ­Erdogan hat den Ausnahmezustand eingeführt, Gnade gegenüber seinen Gegnern lässt er nicht walten. Tausende Militärangehörige und Richter werden der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation beschuldigt. Sie müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Erdogan erwägt, die Todesstrafe wieder einzuführen. Warnungen, die EU-Beitrittsverhandlungen würden dann gestoppt werden, lassen den 62-Jährigen kalt. Er weiß, dass die EU derzeit ohnehin keine ernsthaften Absichten hegt, sein Land aufzunehmen.


"Erdogan hat zwar das Militär geschwächt und seine Macht gefestigt, die Türkei aber ist instabiler geworden, auch wenn das Volk die Demokratie verteidigt hat", analysiert Ludger Schulz vom Deutschen Orient-Institut die neue Lage in der weltweit 17-größten Volkswirtschaft. Ähnlich urteilt Maurus Reinkowski, Professor für Islamwissenschaft an der Universität Basel: "Der von Regierung und ­ Bevölkerung gemeinsam abgewehrte Putsch hätte eine Erfolgsgeschichte werden können. Doch die Säuberungsmaßnahmen gehen weit über das hinaus, was angemessen wäre."

Putsch, Gegenputsch und Ausnahmezustand haben die Türkei verändert - das zwingt Anleger, ein Engagement am Bosporus neu zu bewerten. Von Jahresanfang bis zum versuchten Staatsstreich am vergangenen Wochenende hatte der türkische Aktienmarkt über 15 Prozent zugelegt. Nach dem Coup gaben die Kurse deutlich nach. Auch die Türkische Lira notierte schwächer, ebenso wurden türkische Staatsanleihen verkauft. Eine gute Gelegenheit zum Nachkaufen? Oder ist es höchste Zeit, Gewinne mitzunehmen?

Zweifellos sind die politischen Risiken gestiegen. Durch Erdogans Vergeltungsfeldzug und die massenhafte Suspendierung von Beamten nimmt die Effizienz des Staates und die Kompetenz seiner Bildungs- und Wirtschaftsinstitutionen Schaden. Zudem wachsen Zweifel an der Einhaltung rechtsstaatlicher Normen. "Schon vor dem Putsch litt der Standort Türkei unter den autokratischen Bestrebungen des Staats­präsidenten", sagt Schulz.


Nun aber drohen Direktinvestitionen weiter zurückzugehen. Auch dürfte Kapital aus dem Ausland spärlicher fließen. Die Mittel aber benötigt die Türkei, um das enorme Handelsbilanzdefizit von rund 63 Milliarden Dollar zu finanzieren.

Druck auf die Notenbank

Auch die zunehmenden Einmischungen Erdogans in die ­Unternehmen, aber auch in die Geldpolitik schaden dem Wirtschaftsstandort Türkei. Dem früheren Zentralbankchef hatte er "Landesverrat" vorgeworfen, weil dieser sich beharrlich weigerte, die vom Präsidenten geforderte Zinssenkung durchzuführen. Der neue Mann an der Spitze, Murat Cetinkaya, ist anscheinend weniger motiviert, die Unabhängigkeit der Notenbank zu verteidigen.

Am Dienstag senkte er den Leitzins um 25 Basispunkte auf 8,75 Prozent. Wohl wissend, dass die damit einhergehende Schwäche der Währung nicht nur die Inflation anheizt, sondern auch die Refinanzierungskosten der meist in Dollar verschuldeten Unternehmen, aber auch des Staates in die Höhe treibt. Prompt reagierte S & P: Die Ratingagentur setzte die ­Bonitätsnote für die Türkei um eine Stufe auf "BB" herab und damit tiefer in den Non-Investment-Grade-Bereich. Die Schuldenentwicklung drohe sich zu verschlechtern, begründet S & P das Downgrade.

Ambitionierte Ziele

An Argumenten, sich dennoch in der Türkei zu positionieren, mangelt es indes nicht. Das Land ist eine der sich am stärksten entwickelnden Volkswirtschaften. Erdogans Anteil am Aufschwung, der dem Land Wachstumsraten von bis zu neun Prozent und den Bürgern deutliche Einkommenssteigerungen bescherte, ist erheblich.

Die von ihm in seiner Zeit als Ministerpräsident angestoßenen marktwirtschaftlichen, aber auch politischen Reformen schufen die Voraussetzungen für den Boom. Trotz Erdogans zunehmender Selbstherrlichkeit: "Einen ökonomischem Absturz riskiert er nicht. Erdogan weiß, dass Beliebtheit und Machterhalt eng mit der konjunkturellen Entwicklung verbunden sind", sagt Türkei-Experte Reinkowski von der Uni Basel. Bis zum Jahr 2025 soll das Land, so will es Erdogan, auf Platz zehn der größten Volkswirtschaften vorrücken.

Das ist ambitioniert, jedoch nicht unmöglich. Auch wenn der Konjunkturmotor derzeit langsamer läuft, fallen im Vergleich zu den Industriestaaten, aber auch zu anderen Schwellenländern die Wachstumsraten deutlich höher aus. So legte das türkische Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um vier Prozent zu. Für 2016 prognostiziert der Internationale Währungsfonds 3,3 Prozent.

Von der wirtschaftlichen Dynamik profitierten bislang etliche an der Börse in Istanbul ­notierende Unternehmen, wie etwa der Mischkonzern Sabanci Holding oder der Automobilhersteller Tofaş. Auch Kreditinstitute wie die Akbank zählten zu den Gewinnern.

Suche nach Opportunitäten

"Türkische Unternehmen werden meist exzellent geführt, ihre Chefs sind sehr erfahren im Umgang mit Krisen", sagt Morten Lund Ligaard, Manager des Danske Invest Eastern European Convergence. Der Fonds hat rund 20 Prozent der Mittel in türkische Aktien investiert. Die Stärke der Unternehmen ist für Ligaard auch der wesentliche Grund, warum er den Türkei-Anteil trotz der deutlich größeren Unsicherheiten hinsichtlich der weiteren Entwicklung bislang nur geringfügig reduziert hat.

"Wir verfolgen die Situation in der Türkei jedoch genau und könnten bei einer sich verschlechternden Lage unser Engagement weiter zurückfahren. Darüber hinaus prüfen wir, ob sich aus der voraussichtlichen Zunahme von Kursschwankungen Opportunitäten ergeben", so Lund Ligaard. In der Vergangenheit habe sich ein Einstieg in politisch schwierigen Phasen in der Regel bezahlt gemacht. "Die Bewertungen sind mittlerweile günstig. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis vieler Titel liegt bei acht."

Eine Garantie, dass sich Börsengeschichte wiederholt, gibt es allerdings nicht. Wer in einen reinen Türkei-Fonds investiert hat und diesen nun verkauft, steht auf der sicheren Seite. Politische Börsen haben kurze Beine - das mag für die Indus­triestaaten gelten. Bezogen auf Schwellenländer, in denen Machtmenschen vom Kaliber eines Recep Tayyip Erdogan die Fäden ziehen, greift diese Anlegerweisheit oft zu kurz.

Investor-Info

KfW-Anleihe in Türkischer Lira
Währungswette

Die Türkische-Lira-Anleihe der KfW (ISIN: XS0907335599) läuft bis März 2018. Der Bond rentiert aktuell mit zehn Prozent. Ein Ausfall des "AAA"-Emittenten ist nicht zu ­befürchten, Euro-Anleger gehen aber ein Wechselkursrisiko ein. Bis zur Fälligkeit der Anleihe ist eine Erholung der Lira möglich.

iShares MSCI Turkey
Höhenflug jäh beendet

Der ETF bildet die Entwicklung von 24 Aktien türkischer Unternehmen ab. Finanzwerte sind mit über 47, Konsumtitel mit 21 Prozent gewichtet. Bis zum Putsch erzielten Anleger ordentliche Gewinne. Nun aber ziehen sie massiv Gelder ab. Eine Ende der Talfahrt ist noch nicht in Sicht. Zum Einstieg ist es zu früh.

UBAM - Turkish Equity
Expertise hilft nicht

Fondsmanager Eli Koen schneidet deutlich besser ab als der Vergleichsindex. Im Port­folio finden sich hochkapitalisierte Werte wie das Immobilienunternehmen Emlak Konut Reit. Koen nutzt zudem die Chancen von Mid und Small Caps. Trotz der Qualität des Managers: Der Fonds kann sich dem aktuellen Abwärtstrend nicht entziehen.

Danske Invest East. Eur. Con.
Reduziertes Risiko

Der Danske Invest Eastern European Con­vergence investiert in osteuropäische Länder wie Polen und Ungarn. 20 Prozent der Mittel sind in türkische Aktien investiert. Für Anleger, die am Bosporus bereits Einstiegschancen vermuten, ist der mit Note 1 beurteilte Fonds eine gute Wahl. Die Risiken werden durch die breite Diversifikation abgemildert.

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