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Emerging Markets 21.12.2013 03:00:02

Türkei: Gefährlicher Boom

von Andrea Martens, Euro am Sonntag

Bis zum Mai dieses Jahres war in der Türkei noch alles in ­Ordnung. Doch dann zogen dunkle Wolken über dem Bosporus auf. Kaum hatte US-Notenbankchef Ben Bernanke öffentlich darüber nachgedacht, mit dem gefürchteten Tapering zu beginnen, also die monatlichen Anleihekäufe zurückzufahren, da fegte ein Sturm durch die Türkei, wegen ihres dynamischen Wachstums auch als "China Europas" tituliert. Er bescherte der Türkischen Lira ein Rekordtief und schickte den Leitindex des Landes, den ISE 100, auf Sinkflug. Bis zum Juni büßte der Index im Vergleich zu seinem Jahreshöchststand 25 Prozent ein. Ausländische Investoren starteten den Rückzug.

Zusätzlich verunsichert durch soziale Unruhen und eine feindselige Rhetorik von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan gegenüber ausländischem Kapital, liquidierten Investoren Aktien, lösten Beteiligungen auf und verkauften Bonds. Angaben des US-Research-Hauses Wells Fargo Securities zufolge zogen sie bis zum Juli 2013 rund vier Milliarden US-Dollar aus der Türkei ab.

Inzwischen scheint der Sommersturm vorbeigezogen. Die designierte Fed-Chefin Janet Yellen hält an der ultra­lockeren Geldpolitik der USA erst einmal fest, der türkische Premier hält sich mit Rhetorik zurück. Die Konsumlust der Verbraucher, einer der Wachstumstreiber des Schwellenlandes, ist ungebrochen. Die türkischen Bürger halten den zinsgünstigen "Kauf auf Pump" weiterhin für absolut in Ordnung. So sehr, dass gerade erst Erdogan seine Landsleute dazu aufrief, nicht mehr Geld auszugeben, als sie haben. Zu Recht, wie die aktuelle Statistik der staatlichen Bankenaufsicht BDDK zeigt: Auf umgerechnet 32 Milliarden Euro belaufen sich die Schulden aus den rund 56 Millionen Kreditkarten in der Türkei. Hinzu kommen Bankkredite.

Risikofaktor Geldpolitik
Also nur ein Sturm im Wasserglas? "Etwas mehr schon", sagt der Münchner Vermögensverwalter German Reng. "Für ein Land wie die Türkei, dessen Wirtschaftsleistung hauptsächlich durch eine kreditfinanzierte Binnennachfrage getragen ist, wäre eine straffere Geldpolitik der USA gefährlich." Immerhin würde sich ein höherer US-Leitzins schnell auf die Zinspolitik der Banken in den Schwellenländern übertragen - mithin Kredite verteuern und den Konsum einschränken. Ausländische Konzerne könnten Ertragsein­bußen wittern und weiteres Kapital ­abziehen.

Zwar gelten die Aussichten für die Türkei grundsätzlich als gut. "Auf lange Sicht wird sich das Land stabilisieren", ist DWS-Portfoliomanager Sebastian Kahlfeld überzeugt. Immerhin nehme die Türkei mit ihrer geopolitischen Lage eine Schlüsselposition zwischen Ost und West ein. Zudem könnte die schwache Lira den Export des Landes be­flügeln. Doch angesichts der Schatten, die das Tapering vorauswirft, droht erst einmal Ungemach. "Man hat ja gesehen, zu welchen Einbrüchen die Befürchtungen im Mai geführt haben", sagt Experte Reng. So etwas könne sich jederzeit wiederholen.

Mit einem Boom ist am Bosporus derzeit nicht zu rechnen. "Gegen eine schnelle Erholung spricht das enorme Defizit in der türkischen Leistungsbilanz", sagt Reng. Zwar stieg das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um 0,9 Prozent. Im Jahresvergleich liegt das Wachstum bei 4,4 Prozent. Doch der Zuwachs kommt vor allem aus der Binnennachfrage. Während die Exporte im dritten Quartal um 2,2 Prozent fielen, legte der Import um sechs Prozent zu. Die unausgewogene Leistungsbilanz sorgt unter Investoren für trübe Stimmung. "Eine Wirtschaft, deren Wachstum sich aufgrund der jüngsten Geschichte vor allem auf eine kreditfinanzierte Binnennachfrage stützt, klappt ganz schnell zusammen, wenn in den USA die Zinsen steigen", so Reng.

Damit wäre für Spekulationsfreudige jetzt die Zeit gekommen, um mit einem Short-Papier der RBS auf fallende Kurse zu setzen (ISIN: DE000AA6Y295). Das Papier mit einem Hebel von 1,65 bezieht sich auf den bankenlastigen Index Dow Jones Turkey Titans 20 mit den 20 größten Werten. Seit Jahresbeginn verlor das Barometer rund neun Prozent. Verluste entstehen, wenn der Index auf oder über die Knock-out-Schwelle bei 1094 Zählern steigen sollte. Beim Stand von 740 Punkten beträgt der Puffer 46 Prozent. 

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