19.06.2016 21:02:37
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Trotz Vertreibung von Ureinwohnern: Weltbank und Bundesregierung bewilligen Großprojekt in Tansania
Tansanias Regierung will im fruchtbarsten Drittel des Landes mit dem auf 20 Jahre angelegten Großprojekt SAGCOT ausländische Investitionen für die Landwirtschaft fördern und damit die Armut bekämpfen. Schon vor Projektbeginn wurden nach Berichten lokaler Hirten und Menschenrechtsorganisationen aber mindestens 5000 Ureinwohner vertrieben oder ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Bei Aktionen auch staatlicher tansanischer Kräfte sei es außerdem zu Todesfällen, Vergewaltigungen und anderen Menschenrechtsverletzungen gekommen. Die Landkonflikte wurden in den vergangenen Jahren durch Studien des katholischen Hilfswerks Misereor und der Indigenen-Organisation IWGIA sowie durch ein Gutachten der tansanischen Regierung dokumentiert.
Das Bundesentwicklungsministerium erklärte auf Anfrage von NDR, WDR und SZ, ihr seien Berichte von Vertreibungen nicht bekannt. Die tansanische Regierung habe zugesichert, Landrechte nicht zu beeinträchtigen und gefährdete Gruppen zu schützen. Tansania hatte die Anwendung der besonders strengen Weltbankregeln zum Schutz von Ureinwohnern abgelehnt, da diese gegen die Verfassung des Landes verstießen, wonach alle Einwohner gleichberechtigt seien. Die deutsche Vertreterin im Weltbankdirektorium stimmte deshalb nach Angaben eines Ministeriumssprechers bei der Bewilligung eines 70-Millionen-Dollar-Kredits im März für die Aussetzung der Schutzregeln, obwohl die Bundesregierung grundsätzlich gegen solche Ausnahmen sei. Die US-Regierung dagegen enthielt sich der Stimme und nannte es "nicht überzeugend", dass die Weltbank der Argumentation Tansanias folgte und damit einen "bedauerlichen Präzedenzfall" schaffe.
Oxfam spricht von einer "Ausnahmeregelung durch die Hintertür", die deutsche Menschenrechtsorganisation Urgewald von einer "bedenklichen" Entscheidung. Der Urgewald-Weltbankexperte Knud Vöcking sagte NDR, WDR und SZ: "Das scheint ein Weg zu werden, wie man zwar auf dem Papier diese Standards beibehält, aber sie immer, wenn es opportun erscheint, einfach außer Kraft setzt, sobald sich irgendein Staat gegen die Anwendung wehrt." Der Bundesregierung warf Vöcking Doppelzüngigkeit vor, wenn sie betone, wie wichtig ihr der Schutz von Ureinwohnern sei. Für "völlig unglaubwürdig" hält der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat die Auskunft der Bundesregierung, sie wisse nichts von Vertreibungen im Umfeld des Projekts. "Die Bundesregierung hält nur Sonntagsreden, sie ändert nichts und sie ist sozusagen Teil des Problems bei der Weltbank und nicht Teil der Lösung."
Weltbank-Präsident Kim hatte als Reaktion auf Recherchen des ICIJ in Zusammenarbeit mit NDR, WDR und SZ im Frühjahr 2015 Fehler eingeräumt und Reformen angekündigt. Durch Entwicklungsprojekte der Bank waren laut der Auswertung offizieller Dokumente etwa 3,4 Millionen Menschen innerhalb von zehn Jahren umgesiedelt worden oder hatten ihre Lebensgrundlage verloren. Die Weltbank ist die größte Entwicklungsinstitution weltweit. Vergangenes Jahr vergab die UN-Sonderorganisation Kredite in Höhe von mehr als 60 Milliarden Dollar.
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