03.06.2015 16:39:46
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Trotz Todesstrafe: Merkel bietet Ägypten deutsche Hilfe an
Von Stefan Lange
BERLIN (Dow Jones)--Trotz heftiger Kritik vieler Organisationen an der Menschenrechtslage in Ägypten will die Bundesregierung ihre Zusammenarbeit mit dem Mittelmeerstaat weiter intensivieren. Ägypten arbeite daran, die Stabilität und den Wohlstand im Land zu sichern, "und Deutschland möchte dabei ein wichtiger Partner sein", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch beim Besuch des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi in Berlin. Al-Sisi betonte, sein Land achte die Menschenrechte. Den Vollzug von Todesurteilen rechtfertigte er mit der historischen Entwicklung in Ägypten.
Merkel forderte al-Sisi nicht auf, die Todesstrafe abzuschaffen. Ihre Formulierung zu diesem Thema geriet vielmehr äußerst vorsichtig. Die "hohe Zahl der Todesstrafen" in Ägypten sei aus deutscher Sicht etwas, "was man vermeiden sollte", sagte die Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union und betonte gleichzeitig Selbstverständliches: "Deutschland lehnt die Todesstrafe ab".
Dass Merkel auch anders kann, zeigte sie im Oktober 2011, als sie bei einem Staatsbesuch in der Mongolei das Land zur Abschaffung der Todesstrafe aufforderte. Merkel machte keinen Hehl daraus, dass das wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interesse Deutschlands an Ägypten hoch ist. Ägypten habe eine junge, entwicklungsfähige Bevölkerung, erklärte Kanzlerin und bot an: "Deutschland kann mit seinem wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Know-how bei der zukunftsfähigen Entwicklung Ägyptens helfen". Merkel betonte zudem erneut die Rolle Ägyptens als Stabilitätsanker im Nahen Osten.
Irrfahrt im Fahrstuhl
Al-Sisi und Merkel kamen verspätet zur Pressekonferenz im Kanzleramt, weil es "ein kleines Problem mit dem Fahrstuhl gab", wie Merkel erklärte. Der Aufzug fuhr demnach rauf und runter, aber nicht dorthin, wohin die Kanzlerin und ihr Gast wollten.
Doch noch ans Ziel gebracht, erklärte der ägyptische Präsident, was die Todesurteile in seinem Land angehe, so möge man diese Art der Rechtsprechung doch bitte respektieren. Wenn man über Strafen in Ägypten spreche, möchte er darauf hinweisen, dass Ägypten eine mehr als 100 Jahre alte Verfassung habe, erklärte al-Sisi in der deutschen Übersetzung. "Wir können diese Rechtsprechung nicht in Frage stellen", sagte er und betonte, dass in seinem Land Rechtstaatlichkeit herrsche.
"Wir in Ägypten lieben die Demokratie", sagte al-Sisi, dessen Vortrag von ägyptischen Journalisten immer wieder mit Beifall bedacht wurde - ein ungewöhnlicher Vorgang bei Pressekonferenzen im Kanzleramt. "Natürlich haben wir Defizite in Ägypten", räumte der Präsident ein. An diesen werde jedoch gearbeitet. Vielleicht sei es noch nicht gelungen, diese Botschaft nach Europa zu tragen.
Viele Proteste
Sein Besuch wurde von zahlreichen Protestkundgebungen begleitet. Vor dem Hotel Adlon, in dem al-Sisi offenbar übernachtet hatte, riefen Gruppen unter anderem "Al-Sisi, Massenmörder" und "Al-Sisi, Kindermörder".
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), protokollarisch der zweithöchste Mann im Staate, hatte bereits vor zwei Wochen ein Treffen mit al-Sisi wegen der aktuellen Entwicklung in dem arabischen Land abgesagt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hingegen hatte zuletzt Anfang Mai in Kairo unter anderem erklärt, es gebe "gar keine Alternative zu einem wirklichen politischen Dialog mit einem unserer wichtigsten Partner hier in der arabischen Welt." Steinmeier hatte sich gleichwohl kritisch zu Todesurteilen gegen den ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi und seine Gefolgsleute geäußert.
Ägypten ist nach Südafrika das am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Zwischen Deutschland und Ägypten bestehen nach Angaben des Auswärtigen Amtes intensive Wirtschafts- und besonders Handelsbeziehungen. Das bilaterale Handelsvolumen bewegt sich auf einem stabilen Niveau von ca. 4 Milliarden Euro pro Jahr. "Das Wirtschafts- und Investitionsklima hat sich seit Mitte 2013 positiv entwickelt", heißt es im Außenamt.
Kontakt zum Autor: stefan.lange@wsj.com
DJG/stl/smh
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June 03, 2015 10:08 ET (14:08 GMT)
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