05.12.2012 14:10:30
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Transparency: Griechenland ist korruptestes Land in Europa
Von Beate Preuschoff und Gisela Simon
BERLIN--Einen Spitzenplatz in Europa hat Griechenland nicht gerade inne, wenn es mit harten Wirtschafts- und Finanzdaten aufwarten soll. Allerdings liegt das Land in Sachen Korruption unangefochten vorne im europäischen Vergleich. In keinem anderen Land Europas ist die Bestechlichkeit im öffentlichen Sektor so hoch wie in Griechenland, wie aus dem Korruptionswahrnehmungsindex 2012 der Organisation Transparency International hervorgeht. Obwohl es zur Lösung der Schuldenkrise beitragen würde, unternimmt das krisengeschüttelte Griechenland nach Ansicht der Organisation nicht genug, um gegen Korruption vorzugehen.
Griechenland erhält nur 36 von 100 möglichen Punkten und liegt damit in Europa auf dem letzten Platz. Weltweit landet Griechenland in dem Index, der 176 Staaten umfasst, lediglich auf Rang 94 und liegt damit gleichauf mit Kolumbien, Dschibuti oder Senegal. Damit hat sich Griechenland nochmals verschlechtert, denn im Vorjahr lag es noch auf Rang 80 der weltweiten Liste.
Auffällig ist, dass gerade auch in den anderen, von der Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa stark betroffenen Ländern das Problem der Bestechlichkeit weit verbreitet ist. Von den westeuropäischen Staaten schneiden Griechenland, Italien, Spanien und Portugal am schlechtesten ab. Italien leidet weiter unter der Korruption und belegt mit 42 Punkten weltweit nur Rang 72. Das ebenfalls krisengeplagte Spanien erreicht mit 65 Punkten zumindest den 30. und Portugal mit 63 Punkten den 33. Rang.
Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland sieht darin einen Beleg, dass die Korruptionsrisiken in den jeweiligen Ländern in engem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen und sonstigen Stabilität eines Landes zu sehen sind. "Von daher ist Korruptionsbekämpfung keine rein moralische Notwendigkeit, sondern es hat unmittelbar etwas zu tun auch mit den politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Landes", folgerte Müller. Im Reformprozess dieser Länder sollten daher die Anstrengungen zur Korruptionsvorbeugung in der öffentlichen Verwaltung Priorität erhalten.
Doch auch in Deutschland steht es laut Transparency nicht zum Besten. Das Ausbleiben wichtiger Reformen im Bereich der Abgeordnetenbestechung und der Transparenz der Nebeneinkünfte von Abgeordneten führen dazu, dass sich Deutschland nur im Mittelfeld vergleichbarer Länder befindet. Auf dem Index steht Deutschland mit 79 Punkten weltweit auf Rang 13 und in Europa nur an neunter Stelle.
Die Mehrheit des Deutschen Bundestages verzögere weiter die Verschärfung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung. Diese ist Voraussetzung dafür, dass die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) ratifiziert werden kann. Bereits vor neun Jahren hatte die damalige Bundesregierung die Konvention unterzeichnet.
Müller verlangte, dass "das Aussitzen" wichtiger Reformen zur Korruptionsprävention durch die Mehrheit des Bundestags ein Ende haben müsse. "Solange dieses Problem nicht behoben ist, wird es sicher nicht zu einer verbesserten Einschätzung der Rolle Deutschlands im Hinblick auf Korruption kommen", sagte Müller. Deutschland drohe ein Ansehensverlust. "Es ist hohe Zeit, dass Deutschland seine Glaubwürdigkeit im Bereich der Korruptionsbekämpfung unter Beweis stellt, und dass diese Lücke im Strafrecht geschlossen wird", forderte die Vorsitzende von Transparency Deutschland.
Kritik übte Transparency Deutschland auch daran, dass der Bundestag bereits angekündigte Reformen zur Veröffentlichung von Nebeneinkünften von Abgeordneten verschieben will. Die schwarz-gelbe Koalition beabsichtige erst nach den Bundestagswahlen 2013 ein etwas transparenteres Modell zu Nebeneinkünften von Abgeordneten umzusetzen.
"Die Wähler haben ein Recht darauf, vor der Wahl genauer zu erfahren, welche Abgeordnete welche Nebeneinkünfte beziehen", sagte Müller. Die Vertagung der Reform offenbare ein seltsames Parlamentsverständnis der Regierungsfraktionen. Die politische Szene habe es selbst in der Hand, hier Änderungen vorzunehmen, die zu einer verbesserten Wahrnehmung führen könnten, sagte Müller.
Am unbestechlichsten weltweit sind dem Index zufolge Mitarbeiter im öffentlichen Sektor in Dänemark, Finnland und Neuseeland. Alle drei Staaten landeten mit 90 Punkten an der Spitze der Liste. Für diese Länder ergebe sich ein "besonders hohes Ausmaß an Integrität".
Die Schlusslichter sind Afghanistan, Nordkorea und Somalia, die es nur auf acht Punkte von 100 möglichen Punkten brachten. Diese Länder leiden Transparency zufolge unter nicht funktionierenden Strukturen der öffentlichen Verwaltung und insbesondere unter den nur schwach ausgeprägten Rechenschaftspflichten für Führungspositionen. Insgesamt weisen zwei Drittel der 176 Länder eine Punktzahl von weniger als 50 auf, was von Transparency als Anzeichen für ernste Korruptionsprobleme bezeichnet wird.
Die Organisation ermittelt einmal jährlich den Index, der wiedergeben soll, wie bestechlich die öffentliche Verwaltung eines Landes wahrgenommen wird. Dabei stützt sich Transparency auf Untersuchungen und Umfragen unabhängiger Institutionen. Grundlage sind unter anderem Daten der Weltbank und des Weltwirtschaftsforums. Die einbezogenen Quellen und auch die Zahl der Staaten unterscheiden sich von Jahr zu Jahr, weshalb die Rangfolge nicht ohne Weiteres vergleichbar ist.
Kontakt zum Autor: beate.preuschoff@dowjones.com und gisela.simon@dowjones.com
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December 05, 2012 07:40 ET (12:40 GMT)
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