06.08.2013 20:44:59

Thüringische Landeszeitung: Kafkaeske Justiz (Kommentar zum Fall Mollath)

Weimar (ots) - Gustl Mollath ist kein Heiliger, kein unbeschriebenes Blatt. Für das, was er verbockt hat, hätte er eine Strafe verdient gehabt, so ist es Gerichtsakten zu entnehmen. Aber weil die Richter ihn für unzurechnungsfähig hielten, wurde er für sehr viel länger in die forensische Psychiatrie gesteckt, als diese Strafe hätte ausfallen können. Schon das ist sehr fragwürdig in einem Rechtsstaat, der sich nicht mit Ruhm bekleckerte, als Mollath, störrisch und eigensinnig, um seine Freilassung kämpfte.

Mollaths Fall schürt die Ängste vieler Bürger, plötzlich wehrlos zu sein, wenn man erst einmal in die gnadenlosen bürokratischen Mühlen der Justiz geraten ist. Unschuldig gefangen in einem kafkaesken juristischen System aus Bevormundung und Arroganz. Ein System, das diffus bedrohlich ist und denjenigen bestraft, der eine Kooperation mit Richtern und Ärzten ablehnt, obwohl dies theoretisch sein gutes Recht ist.

Mollath legt mit seiner Halsstarrigkeit die Finger in die Wunden eines reformbedürftigen Rechtssystems: psychiatrische Gutachter, die ihre Beurteilungen skandalös nach Aktenlage fällen, Dauer von Justizverfahren, die menschenunwürdig sind, zumal es um Freiheit oder Unfreiheit eines Menschen geht. Angeblich überlastete Richter, die den Eindruck erweckten, ihnen sei das egal. Man fragt sich: Wie viele andere solcher Fälle gibt es, ohne dass sie Schlagzeilen machen?

Die Justiz wäre nicht die Justiz, wenn sie nach sieben Jahren endlich rechtlich unanfechtbare Klarheit schaffte in der Frage, ob der (vorerst?) Freigelassene in die Psychiatrie gehört oder nicht. Die Chance auf einen neuen Prozess mit ungewissem Ausgang hat Mollath erst im kommenden Jahr. Das Justiz-System ist marode und die Politik nicht fähig zu Reformen.

Von Bernd Hilder

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