03.09.2020 19:01:03
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Tagebuch bringt Scholz wegen Cum/Ex in Erklärungsnot
BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sich in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister nach Berichten mehrerer Medien öfter mit dem Miteigentümer der Hamburger Privatbank MM Warburg, Christian Olearius, getroffen als bislang eingeräumt. Das geht aus Tagebüchern des Bankers hervor, berichteten die Süddeutsche Zeitung (SZ) sowie der NDR und die Wochenzeitung Die Zeit.
Die Treffen fanden den Angaben zufolge vor dem Hintergrund einer Steuerforderung der Stadt von 47 Millionen Euro im Zusammenhang mit Cum/Ex-Geschäften statt. Laut den Berichten gab es 2016 und 2017 zwischen Scholz und Olearius drei Treffen und ein Telefonat. Bislang hatte Scholz demnach lediglich einen Besuch des Bankchefs im Jahr 2017 eingeräumt - auch bei einer Anhörung im Bundestags-Finanzausschuss. Von Scholz' Ministerium war dazu auf Anfrage zunächst keine Stellungnahme erhältlich.
Hintergrund der Gespräche seien laut Aufzeichnungen von Olearius mögliche Steuerrückforderungen der Stadt Hamburg in Millionenhöhe gewesen, so die SZ. Im Sommer 2016 habe die Kölner Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlich illegaler Cum/Ex-Geschäfte gegen die Warburg-Bank und Olearius ermittelt. Im Januar 2016 sei die Bank durchsucht worden, und es habe eine Sonderprüfung der Finanzaufsicht Bafin gegeben. Dennoch empfing Scholz den Bankchef laut den Angaben am 7. September 2016 in seinem Büro. Ausweislich der Tagebucheinträge habe Olearius dem SPD-Politiker dabei die rechtliche Position der Bank erklärt.
Mehrseitiges Schreiben an die Finanzbehörde
Als sich die Forderung der Hamburger Steuerbehörde, wegen der Cum/Ex-Deals eine Kapitalertragsteuer-Rückerstattung über 47 Millionen Euro für 2009 zurückzufordern, einige Wochen später präzisierte, bat Olearius laut den Berichten erneut um einen Termin bei Scholz. Bei diesem zweiten Treffen am 26. Oktober übergab der Banker demnach den Entwurf eines mehrseitigen Schreibens an die Finanzbehörde, in dem die Bank darauf hingewiesen habe, im Falle einer Rückzahlung in ihrer Existenz gefährdet zu sein.
Knapp zwei Wochen später, so sei den Notizen von Olearius zu entnehmen, habe Scholz den Bankchef angerufen und erklärt, er möge das Schreiben kommentarlos an den damaligen Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) schicken. Auf Anfrage der Medien räumte Scholz laut den Berichten die drei Treffen mit Olearius ein. Er habe daran aber keine konkrete Erinnerung. In den Tagebüchern von Olearius findet sich laut NDR und Zeit kein Hinweis darauf, dass Scholz tatsächlich Einfluss auf das Steuerverfahren genommen haben könnte. Die Behörden hatten laut den Berichten schließlich entschieden, auf die Rückforderung der 47 Millionen Euro zu verzichten.
Die Opposition reagierte irritiert auf die Berichte. "Olaf Scholz muss die Karten jetzt umfassend auf den Tisch legen", erklärte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus. "Es ist mehr als irritierend, dass der Finanzminister die Treffen im Finanzausschuss verschwiegen hatte. Wer verschweigt, hat etwas zu verbergen." Es stehe der Verdacht im Raum, dass die Warburg-Bank zu Lasten der Allgemeinheit geschont worden sei. "Das wäre ein Skandal", meinte Paus. Scholz müsse jeden Zweifel ausräumen. Die Grünen wollten ihn nächste Woche in den Finanzausschuss laden lassen.
Auch Linke-Fraktionsvize Fabio De Masi kündigte an, er werde das erneute Erscheinen von Scholz im Finanzausschuss beantragen. "Olaf Scholz hat im Bundestag Pinocchio gespielt und die Unwahrheit gesagt", meinte er. Die Aussage, Scholz habe keinerlei Einfluss auf das Steuerverfahren der Warburg-Bank genommen, sei nicht glaubhaft.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/kla
(END) Dow Jones Newswires
September 03, 2020 12:54 ET (16:54 GMT)
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