Banken-Stresstest 01.08.2016 06:15:00

Stresstest-Ergebnisse erhöhen laut Experten Druck auf Europas Banken

Ein Analyst des Beratungshauses PwC schätzt, das bis zu neun der getesteten Banken bis zu 20 Milliarden Euro an frischem Kapital aufnehmen müssen, um ihre Bilanzen aufzubessern. Andere Experten monierten, dass es unklar bleibe, ob und wie der Test in konkrete Kapitalanforderungen übersetzt werde. Derweil wiederholte Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret in einem Zeitungsinterview die Forderung seines Chefs Jens Weidmann, die deutschen Banken müssten sich Gedanken um ihr Geschäftsmodell machen.

   Strategy&, die Strategieberatung von PwC, rechnet mit beträchtlichen Auswirkungen auf die getesteten Banken. "Unsere Analyse der Stresstestergebnisse deutet darauf hin, dass sich voraussichtlich bis zu neun von 51 Banken zusätzliches Kapital beschaffen müssen", sagte Philipp Wackerbeck, der Leiter der Financial Services Practice bei Strategy& am Wochenende. Um welche Banken es sich im einzelnen handelt, wurde in der Pressemitteilung von PwC jedoch nicht weiter ausgeführt. Eine Sprecherin von PwC war am Wochenende zunächst nicht für eine weiterführende Stellungnahme erreichbar.

Kapitalbedarf von bis zu 20 Milliarden Euro "Auf europaweit aggregierter Basis kann bei Eintreten des adversen Szenarios ein Kapitalbedarf von 16 bis 20 Milliarden Euro auftreten", so Wackerbeck weiter. Da die Banken derzeit aber deutlich niedrigere Renditen als vor der Finanzkrise erzielten, sei zu erwarten, "dass die Kapitalmärkte den betroffenen Banken nur zögerlich zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten anbieten werden", so Wackerbeck.

   Die Eba und die Europäische Zentralbank hatten sich dagegen zufrieden mit den Ergebnissen der Banken im Stresst gezeigt. In einer Mitteilung lobte die Eba den europäischen Bankensektor als widerstandsfähig. Die EZB ließ verlauten, die Banken könnten heute besser mit wirtschaftlichen Schocks umgehen als im Stresstest von 2014. "In dem Ergebnis des Stresstests kommen die beträchtliche Kapitalaufnahme und die zusätzlichen Maßnahmen zum Ausdruck, welche die Banken in den vergangenen zwei Jahren zur Sanierung ihrer Bilanzen durchgeführt haben", wurde Daniele Nouy, Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB, zitiert.

   Die großen deutschen Bankenverbände äußerten sich ebenfalls in einer ersten Reaktion zufrieden mit den Ergebnissen der deutschen Institute beim Stresstest der Eba und warnten vor einer "Überinterpretation" der Ergebnisse. Insbesondere mit Bezug auf den künftigen Kapitalbedarf der beteiligten Banken müssten die Ergebnisse "durch die Bankenaufsicht individuell interpretiert werden", hieß es am Wochenende in einer gemeinsamen Erklärung der deutschen Kreditwirtschaft. Es sei nicht möglich, "aus den bankindividuellen Ergebnissen direkt auf einen bestimmten Kapitalbedarf zu schließen."

Experten: Zahnloser Tiger Genau diesen Punkt kritisierten Ökonomen und Politiker am Wochenende. Isabel Schnabel, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, missfällt die Tatsache, dass keine Konsequenzen aus dem Test gezogen werden. "Es bleibt intransparent, wie und ob die Stresstest-Ergebnisse in regulatorische Kapitalanforderungen übersetzt werden", sagte sie dem Berliner Tagesspiegel. Das mache "den Stresstest zu einem zahnlosen Tiger."

   Lars P. Feld, ebenfalls Mitglied im Sachverständigenrat sagte, die Banken hätten noch einen weiten Weg vor sich. "Es wird noch einige Zeit dauern, bis alle faulen Kredite abgeschrieben sind." Und Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, kritisierte, dass im Test die Risiken der Staatsanleihen in den Bankbüchern außen vor geblieben seien. "Das ist in der derzeitigen Situation Europas mehr als heikel", sagte er dem Tagesspiegel.

Banken müssen Geschäftsmodelle überprüfen Unabhängig von der Kapitalausstattung hat sich mit den Ergebnissen des Stresstests laut Experten der Druck auf die Banken erhöht, ihre Erträge zu verbessern und die Abhängigkeit von Zinserträgen zu verringern, so PwC. In dieses Horn stieß am Wochenende auch Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret. Die Rahmenbedingungen, unter denen Banken heute arbeiteten, hätten sich angesichts von Digitalisierung, niedrigen Zinsen und strengerer Regulierung deutlich verändert, wird Dombret in einem vorab verbreiteten Interview mit der Bild-Zeitung (Montagsausgabe) zitiert. "Die Banken müssen sich dringend Gedanken darüber machen, wie sie ihre Geschäftsmodelle darauf ausrichten", so Dombret. Sie würden angesichts anhaltend niedriger Inflationsraten in Europa wohl "noch eine Weile mit niedrigen Zinsen leben müssen", so der Bundesbank-Vorstand.

   Bereits am Samstag hatte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ähnlich argumentiert. Die Institute müssten gerade im derzeitigen Niedrigzinsumfeld weiterhin kontinuierliche ihre Geschäftsmodelle überprüfen, mögliche Konsolidierungen in der Branche nutzen, ihre Kosten senken und sich dem verschärften Wettbewerb in der Branche stellen, so der Präsident der Deutschen Bundesbank.

   Die Eba hatte in den vergangenen Monaten zusammen mit der EZB geprüft, wie kapitalstark und damit wetterfest die Banken bei einer Krise sind. Europas 51 wichtigste Banken bekamen dabei weitgehend eine ordentliche Kapitalausstattung im Falle von Krisen bescheinigt. Die Ergebnisse schwanken jedoch von Region zu Region und von Institut zu Institut: den skandinavischen Musterschülern stehen Sorgenkinder vor allem aus Italien und Irland gegenüber. Die deutschen Spitzeninstitute Deutsche Bank und Commerzbank gehören trotz einer robusten heimischen Wirtschaft zu den Schlusslichtern in Europa. Allerdings haben beide deutsche Privatbanken Fortschritte gegenüber dem letzten Stresstest von vor zwei Jahren gemacht.

   Größter Ausreißer nach unten war beim Stresstest die italienische Banca Monte dei Paschi die Siena, die "älteste Bank der Welt". Sie wies im Stresstest-Szenario eine negative Eigenkapitalquote von 2,44 Prozent auf. Das Kapital der Bank wäre somit mehr als aufgefressen. Die Bank, die am Freitagabend einen milliardenschweren Sanierungsplan auf den Weg brachte, war nicht die einzige, die die Hürde von 5,5 Prozent riss, die Banken in einem Krisenszenario mindestens aufweisen sollten. Auch die Allied Irish Banks blieb mit 4,3 Prozent unter der Marke.

FRANKFURT (Dow Jones)

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