28.01.2008 19:18:00
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Steinbrück: Situation auf den Märkten bleibt prekär
FRANKFURT/BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat vor weiteren Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten gewarnt, vor dem Hintergrund gewachsener weltwirtschaftlicher Risiken aber zugleich die robuste Verfassung der europäischen Volkswirtschaften betont. "Die hohe Nervosität und Volatilität, die wir seit einiger Zeit auf den Finanzmärkten sehen, ist sicherlich nicht hilfreich", erklärte Steinbrück am Montag in einer Rede in der Deutschen Börse in Frankfurt laut seinem Manuskript.
Die täglichen Wasserstandsmeldungen von Indexveränderungen solle man aber nicht überbewerten. "Wir alle sind wesentlich besser beraten, diese Veränderungen - zumal, wenn sie nach unten gerichtet sind - als das zu sehen, was sie vor allem sind: nämlich eine notwendige Korrektur der Exzesse, Übertreibungen und Maßlosigkeiten, die sich über die vergangenen Monate und Jahre aufgebaut haben", forderte Steinbrück.
Deshalb glaube er auch, "dass die Situation auf den Märkten prekär bleiben wird und noch längst nicht ausgestanden ist, sondern uns im Laufe des Jahres 2008 noch lange beschäftigen wird". Die Hoffnung, dass die Turbulenzen auf die Finanzmärkte beschränkt blieben, werde sich vor allem in den USA nicht erfüllen. "Dort muss man von einer deutlichen Wachstumsschwächung ausgehen", betonte Steinbrück.
"Auch in Europa und Deutschland werden wir in unserer Realwirtschaft etwas davon spüren", räumte er ein, lehnte aber eine Abwärtsrevision der deutschen Wachstumsaussichten ab. "Ich mache mir den bereits voll ausgebrochenen Unterbietungswettbewerb in Sachen Wachstumsentwicklung unter den Experten bewusst nicht zu Eigen", sagte er.
"Angesichts robuster und gesunder Fundamentaldaten in Deutschland und Europa sehe ich hierzu auch keinerlei Anlass." 2008 rechne die Regierung "bei Berücksichtigung zweifelsohne gestiegener Risiken wie Ölpreisentwicklung oder Außenwert des Euro" mit 1,7% Wachstum.
Es stelle sich zudem die Frage, ob der früher stets postulierte Zusammenhang - "wenn die USA niesen, bekommt Europa einen Schnupfen" - noch in diesem Ausmaß zutreffe. Die globalen Gewichte hätten sich aufgrund der zunehmenden Bedeutung dynamisch wachsender Schwellenländer geändert, insbesondere Chinas, aber auch der Golfregion.
Steinbrück forderte, die Märkte müssten verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. "Wenn ein relatives begrenztes Problem wie die Krise auf dem US-Hypothekenmarkt derartige Wellen im gesamten Finanzsystem auslöst, dann ist das in meinen Augen klarer Beleg dafür, dass die Risiken einer systemischen Krise auf den Finanzmärkten in den vergangen Jahren zugenommen haben", betonte der Bundesfinanzminister.
Wahrscheinlich sei es bis zu einer Situation wie in den vergangenen Monaten "nur eine Frage der Zeit" gewesen. Gerade in den ersten Wochen sei es vor allem dem überlegten Krisenmanagement der Zentralbanken zu verdanken, dass sich die Lage auf den Geldmärkten nicht stärker zugespitzt habe, unterstrich er.
Durch die aktuellen Turbulenzen hätten die Finanzmärkte einiges Vertrauenskapital eingebüßt. "Wichtigstes Gebot der Stunde ist deshalb, 'reinen Tisch' zu machen - und zwar ohne langen Aufschub!", verlangte Steinbrück von den Finanzakteuren.
Wer glaube, mögliche Abschreibungen oder Verluste nur in "Häppchen" offenbaren zu müssen, der provoziere nicht nur eine "Abstrafung" durch den Markt, sondern handele zum Schaden des ganzen Finanzsektors. Als Lehre aus der aktuellen Finanzmarktkrise müsste an mehreren Stellen über bessere Schutzmechanismen diskutiert werden.
Zentrale Aufgabe werde die Erhöhung von Transparenz auf den Märkten sein, zudem müsse aber auch über mögliche Verbesserungen des bankinternen Risikomanagements, die Rolle der Ratingagenturen, Änderungen des Bilanzrechts und eine wirkungsvollere Arbeit der Aufsichtsbehörden diskutiert werden. "Allein das Eigeninteresse der Marktteilnehmer, Finanzkrisen zu vermeiden, reicht nicht aus", betonte Steinbrück.
"Sonst müssten wir jetzt nicht wie bei der IKB, der Sächsischen Landesbank, der WestLB oder auch bei der Citibank, Fallbeispiele beklagen, bei denen man den Eindruck hat, ein stark ausgeprägtes, kurzfristiges Renditestreben ließ Fragen nach der spezifischen Expertise erst gar nicht aufkommen."
Zudem sprach sich der Bundesfinanzminister für Maßnahmen zur Abwehr unwillkommener Aktivitäten ausländischer Staatsfonds aus, wie sie die Bundesregierung plant. "Ja, es ist notwendig, dass wir das Außenwirtschaftsgesetz anpassen", betonte Steinbrück. Dies habe nichts mit Protektionismus zu tun und ausländische Staatsfonds sollten damit nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden.
Jedoch lasse "die Informationspolitik einiger Staatsfonds manchmal zu wünschen übrig", beklagte er. Nötig sei "ein Mechanismus, mit dem wir unsere Sicherheitsinteressen im Notfall wahren können." Die USA oder Großbritannien hätten diesen Schritt schon längst vollzogen, erinnerte Steinbrück.
-Von Andreas Kißler, Dow Jones Newswires, +49 (0)30 - 2888 4118, andreas.kissler@dowjones.com DJG/ank/hab/apo (END) Dow Jones NewswiresJanuary 28, 2008 13:18 ET (18:18 GMT)
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