BIP geschrumpft |
04.12.2024 16:22:00
|
Sechstes Quartal in Folge: Österreichs Wirtschaftsleistung geschrumpft
Österreichs Wirtschaft ist das sechste Quartal in Folge geschrumpft. Von Juli bis September lag das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,6 Prozent unter dem Vorjahresquartal und um 0,1 Prozent unter dem Vorquartal, geht aus vorläufigen Berechnungen hervor. "Besonders betroffen ist mit einem Minus von 3,7 Prozent erneut die Industrie, die weiterhin unter der globalen Konjunkturflaute leidet", so Thomas vor Journalisten bei der Präsentation des "Austrian Economic Barometer".
Rückgang bei Dienstleistungen, Plus im Wohnungswesen
Auch die bedeutenden Bereiche sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen (minus 2,5 Prozent), Bau (minus 1,7 Prozent) und Handel (minus 1,5 Prozent) seien weiter rückläufig. Ein moderates Wachstum im Wohnungswesen (1,0 Prozent) sowie in der öffentlichen Verwaltung (ebenfalls 1,0 Prozent) konnte den Rückgang zumindest teilweise abfedern, rechnen die Statistiker vor.
Allerdings setzten sich die Umsatzrückgänge im produzierenden Bereich im Oktober 2024 fort und lagen mit 1,4 Prozent unter dem Ergebnis vom Oktober 2023. Dabei sind die Umsätze in der Industrie um 2,2 Prozent zurückgegangen, während der Bau im Jahresabstand um 3,6 Prozent zugelegt hat. Im gesamten Zeitraum von Jänner bis August 2024 lagen die Importe um 9,8 Prozent und die Exporte um 4,4 Prozent unter der entsprechenden Vorjahresperiode.
Strompreisbremse wirkte dämpfend auf Teuerung
Die November-Inflationsrate beträgt voraussichtlich 1,9 Prozent, nach jeweils 1,8 Prozent im Oktober und September 2024, und liegt damit weiterhin knapp unter dem EZB-Ziel von 2,0 Prozent. "Damit hält der Trend moderater Teuerungsraten in Österreich an", so die Statistiker. Getrieben werde die Teuerung weiterhin vom Dienstleistungssektor. Der Großhandelspreisindex und der Erzeugerpreisindex für den produzierenden Bereich entwickelten sich weiterhin rückläufig.
Ingolf Böttcher, Leiter Direktion Volkswirtschaft Statistik Austria, erklärte, dass die Strompreisbremse der Regierung einen dämpfenden Effekt auf die Inflation hatte, der mit dem Auslaufen der Bremse zum Jahresende wegfallen werde. Die Kerninflationsrate in Österreich liege hierzulande jedenfalls deutlich über zwei Prozent.
Wifo muss Konjunkturprognose für 2024/25 senken
Aufgrund der schlechter als erwarteten Wirtschaftsentwicklung im zweiten und dritten Quartal wird sich auch die Wifo/IHS-Herbstprognose für 2024/25 nicht halten lassen. Im Oktober hatten die Wifo-Ökonomen für heuer noch einen Rückgang der österreichischen Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent und im nächsten Jahr ein Plus von 1,0 Prozent prognostiziert. Beim Budgetdefizit für 2024 rechnete das Wifo damals mit 3,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und für 2025 mit 4,0 Prozent. In 16 Tagen präsentieren Wifo und IHS ihre aktualisierte Konjunkturprognose.
Aufgrund der BIP-Zahlen zum zweiten und dritten Quartal gebe es bei der Prognose "einen Spielraum nach unten", sagte Wifo-Ökonom Marcus Scheiblecker auf APA-Anfrage. In Deutschland wurden die Wirtschaftsaussichten für 2025 kürzlich stark gesenkt. Das als "Wirtschaftsweise" bekannte deutsche Expertengremium hatte Mitte November seine Wachstumsprognose für Deutschlands Wirtschaft im kommenden Jahr von 0,9 Prozent auf 0,4 Prozent halbiert. Für die Prognose der heimischen BIP-Entwicklung 2025 erwartet Scheiblecker keinen derartigen Korrekturbedarf. "Erste Berechnungen zeigen keine Halbierung."
Durch die schwächere Wirtschaftsentwicklung wird das vom Wifo erwartete Budgetdefizit 2024 und 2025 voraussichtlich leicht höher ausfallen. Details zum Budgetsaldo gebe es bei der Winterprognose am 20. Dezember, so der Wifo-Ökonom. Die Konjunkturprognose wird derzeit noch erstellt.
Die schlechten Zahlen haben heute die NEOS auf den Plan gerufen. "Ohne ein mutiges Reformpaket droht ein Domino-Effekt an Pleiten. Gerade angesichts der angespannten wirtschaftlichen Situation ist es wichtig, dass wir die Entwicklung der Konjunktur laufend gut im Blick haben und beobachten. Die Herausforderungen sind vielfältig, von hohen Energiekosten bis zu steigenden Lohnstückkosten, es wird also darum gehen, entschlossen Maßnahmen zu setzen", so deren Abgeordneter Sepp Schellhorn.
Bank Austria: Inlandsnachfrage entscheidend für Konjunkturerholung
Die Wirtschaft in Österreich schwächelt massiv, 2024 steht das zweite Rezessionsjahr in Folge bevor. Vor allem die für das Land wichtige Industrie steht unter großem Druck, im Dienstleistungssektor läuft es etwas besser. Für die kommenden beiden Jahre sind die Ökonomen der Bank Austria dennoch vorsichtig optimistisch: "Die Inlandsnachfrage wird es richten", glaubt Bank-Austria-Volkswirt Walter Pudschedl.
Für heuer rechnen die Ökonomen mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,5 Prozent. Für die beiden Folgejahre 2025 und 2026 wird dann wieder ein Wachstum von 0,9 bzw. 1,3 Prozent gesehen. Die Schätzung für das heurige Jahr liegt damit gleichauf mit der OECD-Prognose, die ebenfalls bei minus 0,5 Prozent liegt. Die beiden Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS waren bei ihrer Schätzung Anfang Oktober mit einem realen BIP-Rückgang von jeweils 0,6 Prozent etwas pessimistischer.
Für den Euroraum rechnet die Bank Austria mit einem Plus von 0,8 Prozent für heuer und einem leichten Anstieg des BIP auf 0,9 bzw. 1,2 Prozent in den beiden Jahren darauf. Optimistischer sind sie für die USA, wo das BIP 2025 und 2026 um 2,1 bzw. 2,3 Prozent zulegen sollte.
Konsum soll Beitrag zur Erholung leisten
"Wir gehen davon aus, dass vor allem der Konsum einen Beitrag (zur Erholung der Konjunktur, Anm.) leisten wird", so Pudschedl weiter. Höhere Lohnanstiege und eine geringere Inflation sollten in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass die Kaufkraft wieder anzieht. In den vergangenen Jahren war wegen hoher Unsicherheit die Sparquote noch deutlich angestiegen, wodurch der private Konsum gebremst wurde. Auch sinkende Leitzinsen in Europa sollten helfen, die Investitionen wieder stärker anzukurbeln.
In der Industrie blieben die Herausforderungen aufgrund der globalen Rahmenbedingungen jedoch groß. Eine leichte Erholung im Dienstleistungssektor sollte eine weiterhin schwache Industrie zwar etwas kompensieren können und die Konjunkturentwicklung insgesamt etwas stabilisieren. Die Wirtschaftspolitik des designierten US-Präsidenten Donald Trump werde jedoch in den kommenden Jahren eine große Rolle spielen und "zum größten Unsicherheitsfaktor" für die Konjunkturentwicklung werden, so die Ökonomen. Trump hatte nach der Wahl bereits umfassende Zölle gegenüber China, Kanada und Mexiko angekündigt. Dadurch werde die De-Globalisierung fortschreiten, Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer rechnet aber nicht damit, dass Trump seine Ankündigungen in vollem Umfang wahr machen wird.
An US-Markt kommt "niemand vorbei"
An den USA als Markt kommt laut Bruckbauer dennoch "niemand vorbei" - vor allem aufgrund des großen weltweiten Anteils an Firmeninvestitionen und privatem Konsum des Landes. Vor allem für die exportorientierte heimische Industrie wären weitere protektionistische Maßnahmen seitens Trump daher schlecht, denn zwei Drittel der Industrienachfrage kommen aus dem Ausland. Zudem habe Österreich in den vergangenen Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt.
Ihre Hoffnung setzen die Ökonomen auf die Binnenkonjunktur, die die Konjunkturverbesserung in Österreich sowie in Europa den kommenden Jahren tragen werde. Für Österreichs Wirtschaft kämen insgesamt zwei Drittel der Nachfrage aus dem Inland, so Bruckbauer.
stf/cri
APA
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!
Weitere Links: