16.04.2015 21:02:42

Schwäbische Zeitung: Aus der Zeit gefallen

Ravensburg (ots) - Sechs Worte von Ferdinand Piëch genügten, um Volkswagen in eine Krise zu stürzen. Mit dem lapidaren Satz "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn" entzog Piëch dem VW-Vorstandchef vor einer Woche das Vertrauen.

Gab sich Winterkorn zunächst noch kämpferisch, so ist sein Abgang wohl nur noch eine Frage der Zeit. Ein Vorstandsvorsitzender ist kaum zu halten gegen den Willen eines Aufsichtsratschefs, der überdies einer der größten Aktionäre ist.

Gemessen an seinen Erfolgen widerfährt Winterkorn Unrecht. Er hat diesen kaum regierbaren Koloss mit 600000 Mitarbeitern und 118 Werken saniert und an die Weltspitze geführt. Seitdem Winterkorn im Amt ist, stieg der Kurs der VW-Aktie um 350 Prozent. Mit beträchtlichem Geschick beschwichtigte er den mächtigen Betriebsrat, der bei Volkwagen traditionell ein Staat im Staate ist und sich als parallele Geschäftsführung versteht. Er bekam die niedersächsische Landesregierung mit ihrem eigentümlichen Vetorecht in den Griff. Und er arrangierte sich mit den Familien Porsche und Piëch, gegen die niemand in Wolfsburg regieren kann.

Nun hat ihn sein früherer Förderer Ferdinand Piëch fallen lassen. Der Aufsichtsratschef entschied sich dafür, Winterkorn öffentlich zu demütigen. Über seine Motive kann nur spekuliert werden. Kleine Makel der Marke VW genügen nicht, um die Entmachtung Winterkorns zu rechtfertigen. Manche vermuten hinter Piëchs Winkelzügen ein egoistisches Ziel: Der 77-Jährige wolle verhindern, dass Winterkorn ihn an der Spitze des Aufsichtsrats beerbt.

Der Leistung Piëchs gebührt Respekt, der undurchsichtige Mann mit dem verschmitzten Lächeln taugt als Romanheld. Doch als Manager ist Piëch aus der Zeit gefallen. Für eigensinnige Wirtschaftskapitäne ist kein Platz mehr in der globalisierten Wirtschaftswelt. Weltkonzerne wie VW müssen von Profis gelenkt werden, die sich an Zahlen, Fakten und Spielregeln halten. Das Schicksal eines Topmanagers darf nicht mit Halbsätzen besiegelt werden, geschweige denn vom Gutdünken eines greisen Milliardärs abhängen.

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Pressekontakt: Schwäbische Zeitung Redaktion Telefon: 0751/2955 1500 redaktion@schwaebische-zeitung.de

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