Unprofitable Unternehmen |
03.09.2022 23:20:00
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Schuld bei EZB, Fed & Co.: So haben die Notenbanken "Zombie"-Unternehmen befeuert
• Rzońca und Parosa: Unprofitable Unternehmen konnten dank Fed jahrelang florieren
• Zombie-Firmen boten Gewinne für Manager, Gläubiger und Aktionären - aber nicht für die allgemeine Wirtschaft
Die ultralockere Geldpolitik der letzten Jahre hat 2022 wohl ihr vorläufiges Ende erreicht. Im Rahmen der US-Notenbankkonferenz in Jackson Hole letzte Woche bekräftigte Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), dass weitere Zinserhöhungen geplant seien. Er warnte zwar vor bedeutenden Kollateralschäden für die US-Wirtschaft, machte aber gleichzeitig deutlich, dass die Fed einen vorzeitigen Abbruch der Zinserhöhungen nicht in Erwägung zöge. Dafür sei die Inflation, die in den USA im Juli ein Niveau von 8,5 Prozent erreichte, ein zu großes Problem für den allgemeinen Wohlstand der Bevölkerung. Unbedingt müsse die Geldentwertung beendet werden. Auch für den nächsten EZB-Entscheid fordern nun immer mehr Notenbanker einen großen Zinsschritt von 0,75 Prozent. Die Trendwende in hat weitreichende Konsequenzen im Wirtschafskreislauf und könnte für einzelne Unternehmen existenzbedrohend werden.
Was ist ein Zombie-Unternehmen?
Besonders stark dürften die sogenannten "Zombie"-Unternehmen unter den Zinserhöhungen leiden. Als ein solches werden diejenigen Unternehmen bezeichnet, deren Gewinne geringer sind als deren Zinszahlungen für zuvor aufgenommene Kredite. Die Zombiefirmen können ihre Schulden gerade so über die Aufnahme weiterer Kredite bedienen, häufen dabei aber weitere Schuldzinsen an. Anders gesprochen übersteigen die ansteigenden Verbindlichkeiten somit die Gewinne, wodurch ein negativer Cash Flow entsteht. Während einer "konventionellen Geldpolitik" mit einer Zinsrate zwischen zwei und drei Prozent fällt das Überleben einem solchen Unternehmen äußerst schwer. In einem Umfeld des ultralockeren Geldes, in dem man für einen Kredit nur marginale Zinsen bezahlen muss, kann dieses Geschäftsmodell aber florieren. Einem US-Bericht zufolge traf 2021 - also in einem Jahr, in dem die Zinsen weltweit meist bei null Prozent oder sogar im negativen Bereich lagen - auf zehn Prozent der in den USA börsennotierten Unternehmen die Definition eines Zombie-Unternehmens zu. Auch altbekannte Traditionskonzerne wie Boeing werden oft zu dieser Kategorie gezählt.
Darum ist der Boom der Zombie-Unternehmen mit der Geldpolitik zu erklären
In einem Kommentar in der "Financial Times" gaben der ehemalige polnische Notenbanker Andrzej Rzońca und der AXA-Vermögensverwalter Grzegorz Parosa denn auch den internationalen Notenbanken rund um die Fed die Schuld für den verhängnisvollen Boom der Zombie-Firmen. Im Zuge der schockierenden Finanzkrise von 2008 hätten die Fed- und EZB-Notenbanker eine "unkonventionelle Geldpolitik" eingeführt. Diese sei charakterisiert durch extrem niedrige Zinssätze und groß angelegte Programme zum Ankauf von Vermögenswerten. Das Resultat war eine enorme Ankurbelung der Nachfragesituation, jedoch hätten die Zentralbanken die Angebotsseite vernachlässigt. Dies habe wiederum die "Zombifizierung" der Wirtschaft ermöglicht, meinen Rzońca und Parosa.
Manager, Gläubiger, Aktionär - alle sind zeitweise Nutznießer der Zombie-Firmen
Zwar könne die Fed nicht selber Zombie-Unternehmen gründen, aber: "Sie kann ein Umfeld schaffen, in dem eine Zombifizierung möglich ist. Wenn die Zinssätze bei Null liegen, werden Gläubiger dazu ermutigt, die Finanzierung unproduktiver Unternehmen zu verlängern." Die Kosten für eine solche Verlängerung seien dank der geringen Kreditkosten nämlich äußerst günstig. Außerdem suchten Anleger in einem Umfeld extrem niedriger Zinsen verzweifelt nach Renditen, weshalb sie die Aktien und Anleihen dieser Zombie-Unternehmen aufkauften und diese so am Leben hielten. Für hochprofitable Konzerne wie Microsoft, Johnson & Johnson oder Coca-Cola seien nämlich die Anleiherenditen im Niedrigzinsumfeld kaum attraktiv genug gewesen.
Zugleich hätten Zombie-Unternehmen kaum Anreize zu einer Restrukturierung, da ihr Geschäftsmodell in Zeiten der lockeren Geldpolitik zwischenzeitlich hervorragend funktionieren kann. Alle beteiligten Gruppen - vom Manager und den anderen Mitarbeitern über den Gläubiger bis hin zum Aktionär - profitieren von der Existenz des Zombie-Unternehmens, sind sich Rzońca und Parosa sicher. Deshalb komme es ihrer Meinung nach auch nicht von ungefähr, dass Zombie-Firmen in "Großbritannien, Belgien, Spanien, Griechenland, Portugal und Italien mehr als 40 Prozent der gesamten Vermögenswerte kontrollieren."
Warum unprofitable Zombie-Unternehmen den Wirtschaftskreislauf stören
In diesem Sinne fachte die lockere Geldpolitik der Notenbanken das Spekulationsfieber an. Die Fed, EZB & Co. waren sich zwar dessen bewusst, sahen dies aber als geringeres Problem an. Das Hauptmotiv war nämlich die Stimulation der Nachfrage. Jedoch wurde mit der Inflation ein weiteres Problem ersichtlich: Nachfrage- und Angebotsseite befinden sich seit Monaten in einem gravierenden Missverhältnis, zudem heizen noch die hohen Energiepreise die Teuerungsrate an. All dies führt zu enormen Preissteigerungen, besonders bei hoch nachgefragten Gütern.
Hierbei spielen nach Ansicht von Rzońca und Parosa die Zombie-Unternehmen eine verhängnisvolle Rolle: "Zombies halten Vermögenswerte und Mitarbeiter gefangen. Sie machen das Leben für Startups schwerer und verlangsamen die Innovation. Außerdem senkt ihre Existenz die Gewinnspannen, wodurch Investitionen in gesunde Wettbewerber weniger attraktiv werden." In Fachkreisen wird dies "ineffiziente Ressourcenallokation" genannt, die die Verdrängung alter durch neue, produktiver wirtschaftende Wettbewerbe verhindere.
Die Folgen der "Zombifizierung" der Wirtschaften in der Eurozone seien gravierend. "In Europa haben die ultraniedrigen Zinssätze - durch Zombifizierung und die daraus resultierende Fehlallokation - die Produktivität gesenkt und das BIP-Wachstum um bis zu drei Prozent in den Jahren nach dem Finanzcrash gesenkt. Dies hat die bereits stagnierenden europäischen Volkswirtschaften weiter geschwächt." Deshalb schließen Rzońca und Parosa ihren "Financial Times"-Kommentar mit einem unmissverständlichen Appell an die Fed, EZB und andere Notenbanken rund um den Globus ab: "Es ist höchste Zeit, dass die Zentralbanken aufhören, Zombies zu füttern und zu einer konventionellen Politik zurückkehren".
Man muss angesichts der höchsten Inflationsrate seit vier Jahrzehnten kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Forderung der beiden polnischen Ökonomen in den kommenden Monaten von Powell & Co. wohl erhört werden wird.
Redaktion finanzen.at
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