Athen muss schnell liefern 12.07.2015 18:35:45

Schelling: Eurogruppe räumt "Grexit" vorerst vom Tisch

Nach den Worten von Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling wird derzeit nicht über den Grexit diskutiert. "Aktuell ist er vom Tisch", sagte Schelling nach den Gesprächen. Nach rund fünf Stunden an Diskussionen am Sonntag und mehr als neun Stunden am Tag zuvor signalisierten mehrere der Minister vielmehr, eine Lösung in dem Schuldenstreit sei näher gerückt, und reichten den Stab an die Staats- und Regierungschefs weiter. Ob diese bei ihrem am Nachmittag begonnenen Treffen in Brüssel eine Einigung erreichen können, bleibt ungewiss.

Athen hat den Geldgebern eine 13-seitige Reformliste vorgelegt, doch diese verlangen mehr Maßnahmen und konkrete Garantien für deren Umsetzung. Um den Staatsbankrott zu vermeiden und wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen, hofft Griechenland auf ein dreijähriges Programm aus dem europäischen Rettungsfonds ESM. Im Statement der Eurogruppe ist von einem möglichen Finanzbedarf Griechenlands von 82 Milliarden bis 86 Milliarden Euro die Rede.

Die Minister haben den angereisten Staats- und Regierungschefs des Währungsblocks ein gemeinsames Statement vorgelegt, über das in den nächsten Stunden auf höchster Ebene verhandelt wird. "Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt, aber einige große Themen sind immer noch offen", konstatierte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. "Deshalb legen wir sie den Regierungschefs vor, und es liegt bei ihnen."

Befristeter Grexit laut Statement weiter eine Option

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hoffte bei seinem Eintreffen zu dem Gipfeltreffen auf eine Einigung. "Ich bin bereit für einen ehrlichen Kompromiss", sagte er. "Wir können heute Abend eine Einigung erreichen, wenn alle Parteien es wollen." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte klar, es werde keine Vereinbarung "um jeden Preis" geben.

Im Statement der Eurogruppe ist allerdings auch weiter ein zeitlich befristeter Ausstieg aus dem Euro als Option aufgeführt, sagten drei europäische Offizielle. Viele Minister signalisierten allerdings, dass mehr Rettungshilfen für das vor dem Bankrott stehende Land das wahrscheinlichere Szenario sei.

Die Idee des befristeten Grexit, die in das Statement auf Wunsch Deutschlands kam, ist dort in Klammern aufgeführt, sagten die Offiziellen. Das bedeutet, dass nicht alle 19 Euro-Länder dahinterstehen. "Alle Optionen sind auf dem Tisch", erklärte aber Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna.

Finanzminister aus mehreren Ländern sagten, dass ein Kompromiss zu 90 Prozent stehe und nun die Regierungschefs die letzten Meter gehen müssten. "Es liegt ein guter Vorschlag auf dem Tisch", erklärte Finnlands oberster Kassenwart Alexander Stubb nach dem Gesprächsmarathon. Der von den Ministern ausgearbeitete Text sehe "weitreichende Konditionalität" vor. So müsse das griechische Parlament bereits bis Mittwoch eine Reihe von Gesetzen beschließen.

Finanzminister fordern von Athen schnelle Beschlüsse

Das Angebot der Geldgeber stelle weitreichende Auflagen an die Griechen, sagte Stubb. Diese müssten bei der Privatisierung von Staatsbesitz, Steuern und Renten erfüllt werden. "Für die Eröffnung von ESM-Verhandlungen müssen all diese Bedingungen sowohl von der griechischen Regierung als auch vom Parlament erfüllt und gebilligt sein", stellte er klar.

Damit Griechenland bei der Umsetzung der Reformen nicht wie in den vergangenen Jahren auf Zeit spielen kann, drängen die Europäer auf schnelle Beschlüsse. "Es muss eine Entscheidung her durch das griechische Parlament", machte auch Schelling zur Bedingung. Es müsse ab Montag entscheiden, ob es einverstanden sei. Nur wenn alle gestellten Bedingungen erfüllt seien, gebe es ein Mandat, um über ein drittes Hilfsprogramm zu verhandeln. "Wenn sie nicht erfüllt sind, wird es keine Verhandlungen über ein drittes Programm geben."

Der Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Griechenland temporär aus der Eurozone auszuschließen, wird vor allem von Frankreich bekämpft. Er sei gemacht worden, um die "Galerie zu unterhalten", sagte Schäubles Amtskollege Michel Sapin. Zuvor hatte sich bereits Staatschef Francois Hollande ablehnend geäußert. "Es gibt keinen provisorischen Grexit", hatte Hollande bei seiner Ankunft in Brüssel gesagt.

Während der laufenden Brüsseler Verhandlungen der Euro-Finanzminister zum Schicksal Griechenlands am Samstag war bekannt geworden, dass Schäuble erwägt, bei einem Scheitern der Griechenland-Verhandlungen einen vorübergehenden Austritt Athens aus der Währungsunion vorzuschlagen.

Schäubles Grexit-Plan führt zu Protesten

In einem Papier des deutschen Finanzministeriums, in das Dow Jones Newswires Einblick hatte, ist als eine Option ein so genannter "Grexit" für mindestens fünf Jahre genannt, in denen Athen seine Schulden restrukturieren soll. Sie soll für den Fall gelten, dass die andere in dem Dokument genannte Alternative nicht realisiert wird - nämlich dass Athen seine bisherigen Vorschläge schnell und umfassend nachbessert und einen Fonds zur Bedienung der Schulden einrichtet.

Die Idee ist mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) abgesprochen. Hintergrund des Planes ist, dass Berlin offenbar mit den von Athen vorgeschlagenen Maßnahmen einen Schuldenschnitt für unausweichlich hält, den es aber in der Eurozone nicht geben darf.

Schäubles Grexit-Plan hatte aber auch viel Kritik im Inland ausgelöst, auch beim Koalitionspartner SPD. Die Grünen kündigten eine Verfassungsklage für den Fall an, dass er umgesetzt wird. Auch Ökonomen kritisierten den Vorschlag. So sprach der Wirtschaftsweise Peter Bofinger im Handelsblatt von einer "Mogelpackung" und meinte: "Das ist nichts anderes als ein Grexit." Man könne Athen nicht zeitweise ausschließen und dann prüfen, ob es in die Währungsunion zurückkehren dürfe, denn der EU-Vertrag habe dazu klare Regeln.

DJG/chg/raz

Dow Jones Newswires

Von Christian Grimm

BRÜSSEL/BERLIN (Dow Jones)

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