03.06.2015 18:04:45
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Schäuble und Länder sehen keine schnelle Lösung für Finanzbeziehungen
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Kollegen aus den Ländern sehen keine schnelle Einigung in den festgefahrenen Verhandlungen über die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern. Immerhin hoffen sie aber auf Fortschritte noch in diesem Monat.
"Ich würde gemäßigt optimistisch sein, dass wir jedenfalls im Juni einen wichtigen Schritt weiter kommen", sagte Schäuble nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus den Bundesländern bei einer Sitzung des Stabilitätsrates von Bund und Ländern in Berlin.
Schäuble verwies auf ein Treffen der Regierungschefs von Bund und Ländern am 18. Juni und sagte, es werde "vielfältig daran gearbeitet", dann Fortschritte zu erreichen. Alle Beteiligten seien sich jedenfalls einig darüber, "dass vieles dafür spricht, dass man das Problem in diesem Jahr löst und nicht auf das nächste Jahr schiebt".
Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel einer Neuordnung der Finanzbeziehungen festgeschrieben. "Spätestens Ende 2019 müssen die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu geordnet sein", heißt es dort. "In dieser Legislaturperiode müssen dafür die Weichen gestellt werden."
Mehr Kompromissbereitschaft auf allen Seiten nötig
Dann laufen der Länderfinanzausgleich und der Solidarpakt II aus. Darüber, wie es ab 2020 weitergehen soll, sprechen Schäuble und die Finanzminister der Länder aber inzwischen seit Monaten. Eigentlich wollten sie in diesem Monat eine Einigung erreichen. Doch die Gespräche sind zunehmend ins Stocken geraten.
Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) forderte deshalb nach der Sitzung mit Schäuble mehr Kompromissbereitschaft auf allen Seiten. "Ich teile die Auffassung, dass es dafür eine Chance gibt", sagte er bei derselben Pressekonferenz wie Schäuble mit Blick auf die von diesem erhofften Fortschritte. "Aber die Vorraussetzung dafür ist, dass alle an dem Diskussionsprozess Beteiligten ... jeweils für sich identifizieren, an welchen Punkten möglicherweise die eigene Position noch zu Gunsten eines Kompromisses bewegt werden kann."
Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans zeigte sich "verhalten optimistisch" für eine Einigung am 18. Juni. Er hoffe, "dass man zumindest Vereinbarungen treffen kann, die zu einer Lösung in diesem Jahr führen".
Schäuble hat den Ländern 7 Milliarden angeboten
Neu geregelt werden muss neben der Zukunft des ursprünglich für den Aufbau Ost entwickelten Solidaritätszuschlags auch die Verteilung von Einnahmen und Ausgaben zwischen Bund und Ländern allgemein. Diskutiert wird zudem über eine größere Eigenverantwortung der Länder in Steuerfragen und über Zugeständnisse an sie bei der Erfüllung der Schuldenbremse.
Schäuble hat Ende April einen Kompromissvorschlag vorgelegt, um den Boden für eine Lösung im Streit um die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern zu ebnen. Im Gespräch war eine Finanzspritze von 7 Milliarden Euro für die Länder durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und die Fortführung einer teilweisen Übernahme der Kosten für den Nahverkehr und den Straßenbau durch den Bund. Die Länder forderten aber mehr Entlastung.
Der Solidaritätszuschlag soll nach Schäubles Planungen dafür ab 2020 schrittweise sinken. Doch aus den Ländern wird dies bisher zurückgewiesen. Sie fordern eine Beteiligung an den Einnahmen aus der 5,5-prozentigen Abgabe auf die Einkommensteuer, die jährlich über 14 Milliarden Euro in die Kassen des Bundes spült. Die von SPD und Grünen regierten Länder haben sich bereits Ende 2014 darauf festgelegt, die jährlichen Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag ab 2019 in das normale Bund-Länder-System der Einkommens- und Körperschaftssteuer zu integrieren.
Ökonomen wollen Erbschaftsteuer auf den Bund übertragen
Auch Schäuble hatte sich lange Zeit für diese Variante stark gemacht. Der Finanzminister vertritt nun aber die Abschmelzung des "Soli", nachdem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer darauf verständigt hat - zum Missfallen von SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel.
Einen neuen Kompromissvorschlag brachte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ins Spiel. Die Berliner Ökonomen sprachen sich angesichts der verfahrenen Diskussion dafür aus, die Erbschaftsteuer bei der anstehenden Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf den Bund zu übertragen und die Länder im Gegenzug stärker an der Umsatzsteuer oder an der Einkommensteuer zu beteiligen. Walter-Borjans sah allerdings am Mittwoch keinen "unmittelbaren Zusammenhang" zwischen der Erbschaftsteuer und den Bund-Länder-Verhandlungen.
Schäubles Wissenschaftlicher Beirat sprach sich unterdessen dafür aus, den derzeitigen Umsatzsteuervorwegausgleich abzuschaffen, um die Transparenz des Finanzausgleichssystems zu erhöhen. Die Wissenschaftler, die das Finanzministerium beraten, wollen mehrheitlich auch eine stärkere Steuerautonomie der Länder.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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June 03, 2015 11:34 ET (15:34 GMT)
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