Der Bär tobt weiter 22.11.2014 03:00:02

Russland: Muskelkater in Moskau

von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag

Wladimir Putin gibt sich gern als Mann der Tat. Seinen Dienstwagen lenkt er, wenn möglich, selbst durch die Straßen Moskaus. Er schießt und angelt; einer frierenden First Lady wirft er gegen alle Protokollregeln schon mal eine warme Decke um den Hals - wie jüngst beim ASEAN-Gipfel in Peking. Manchmal jedoch, und das weiß auch Putin, bedarf es eindringlicher Worte, um etwas zu erreichen. Zum Beispiel dann, wenn der Preisverfall der russischen Landeswährung die Wirtschaft bedroht. Ohne Umschweife kündigte der russische Präsident Anfang vergangener Woche deshalb entschiedene Schritte der Zentralbank an, sollte der Rubel seine Talfahrt weiter fortsetzen - immerhin 40 Prozent hat die Währung seit Jahresbeginn gegenüber dem US-Dollar verloren.

Die Notenbank folgte Putins Machtwort prompt: Ab 2015 gibt es keine monatlichen Stützungskäufe mehr, dafür jedoch energische Interven­tionen, sollte es am Markt zu Turbulenzen kommen. Putins Worte waren ein doppelter Coup: Es gelang ihm kurzzeitig, den Abwärtstrend des Rubel zu stoppen und zugleich jegliche Mitverantwortung für die Währungsschwäche von sich zu weisen. Denn die sei vor allem das Werk von Spekulanten, so der Staatschef.

Dabei ist es Moskaus Verhalten selbst, das für die ökonomischen Schwierigkeiten des Landes verantwortlich ist. Die Annexion der Halbinsel Krim und der anschließend entfachte Konflikt in der Ostukraine, bei dem Russland die Aufständischen unterstützt, haben die Krise heraufbeschworen. Die Reaktionen des Westens ließen nicht auf sich warten: Die er­lassenen Wirtschaftssanktionen der EU und der USA zeigen langsam Wirkung und setzen einen Teufelskreis aus Inflation, Rubelschwäche und Kapitalabzug in Gang, bei dem Russland mehr und mehr in Bedrängnis gerät. Doch statt einzulenken, lässt Putin die Muskeln spielen.

Krise als Dauerzustand
Seit Monaten kommt die Region nicht zur Ruhe, obwohl es zwischenzeitlich immer wieder Zeichen der Hoffnung gab. Vor allem der im ­September in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ausgehandelte Waffenstillstand wurde international positiv aufgenommen - doch mittlerweile scheint er nur noch Makulatur zu sein.

Auch die vom Westen als illegitim eingestuften Wahlen in den ­Rebellenhochburgen Donezk und Luhansk sorgen für Zündstoff: Die Abstimmung ist nach Ansicht der Bundesregierung ein Verstoß gegen den Minsker Friedensplan und stehe nicht im Einklang mit der Verfassung der Ukraine.

Während die EU und die USA das Ergebnis der Wahlen nicht anerkennen, feiert Russland die neuen Machthaber in den Regionen. Kritiker monieren, das sei ein Sabotageakt gegen den Frieden. Die 28 EU-­Außenminister wollen darum über neue Maßnahmen beraten. Jedoch wird es wohl eher um weitere Ein­reiseverbote und Kontosperrungen gehen als um scharfe Sanktionen.

Die sind auch nicht unbedingt notwendig. Denn die bereits eingeführten Strafmaßnahmen machen dem Land schon genug zu schaffen. Während etwa das Waffenembargo oder der erschwerte Zugang zum Kapitalmarkt nur indirekt Probleme bereiten, sind im Alltag ausgerechnet Russlands Gegenreaktionen spürbar: Mit dem russischen Einfuhr­verbot für Lebensmittel aus der EU und den USA verknappt sich das Angebot und die Preise für Nahrungsmittel steigen rasant. Insgesamt hat die Zentralbank ihre Prognose für die Inflation von fünf auf acht Prozent erhöht.

Getrieben wird sie jedoch nicht ­allein von den Lebensmittelpreisen, sondern auch durch Importgüter. Die Russen müssen einen Großteil ihrer Maschinen und technischen Geräte einführen: Computer, Telefone, Autos - fast alles wird importiert. Hier wirkt der fallende Rubel in doppelter Hinsicht negativ: Einerseits verteuern sich durch die billige Währung die eingeführten Güter, gleichzeitig steigt aber auch die Nachfrage nach langlebigen Produkten. Da die Russen eine weitere Entwertung des Rubels fürchten, geben sie ihr Geld mit vollen Händen aus. Das treibt die Preise ebenfalls.

Ölfirmen trifft es hart
Verantwortlich für die Rubelschwäche ist vor allem die politische Unsicherheit und die damit einhergehende Kapitalflucht. Laut Notenbank sind 2014 bislang 128 Milliarden Dollar abgeflossen. Der erschwerte Kapitalmarktzugang für russische Unternehmen und Banken tut ein Übriges. Er schmälert die Wachstumschancen der Firmen und schürt Rezessionsängste. Das lässt den Rubel weiter abwerten.

Vor allem auf den Ölsektor wirken sich die Sanktionen aus. Nicht nur weil frisches Geld für Investitionen fehlt, sondern auch weil Technologien für die Exploration von Öl nicht eingeführt werden. Dabei sind die Firmen auf beides angewiesen: Alte Ölfelder erschöpfen sich langsam, daher müsste Russland eigentlich investieren und neue Vorkommen erschließen. Das geht jedoch nicht ohne Maschinen und Geld. Hinzu kommt, dass der niedrige Ölpreis dem Land zusetzt, dessen Staatshaushalt zu mehr als einem Drittel von den Einnahmen aus Öl- und Gasexporten abhängt.

Angesichts der wirtschaftlichen Lage sind Investments in Russland mit einem hohen Risiko verbunden. Seit Jahresbeginn hat der russische Aktienindex RTS knapp ein Drittel seines Werts verloren. Zwar sind russische Aktien billig - das KGV liegt bei vier, während gleichzeitig eine Dividendenrendite in Höhe von im Schnitt fünf Prozent lockt -, doch die Unsicherheit ist immens. Energie­titel sollte man daher meiden. Chancen gibt es allenfalls im Internet: Die Netzabdeckung ist gut, dennoch hinkt der Onlinehandel hinterher. Angesichts der unsicheren Situation im Land empfehlen sich Fondslösungen (siehe Investor-Info), bei denen das Risiko breiter gestreut ist als bei Einzeltiteln.

Das Risiko bleibt dennoch hoch: Die Ratingagentur Moody’s hat die Bonität Russlands vor Kurzem von "Baa1" auf "Baa2" herabgestuft. Die Wahrscheinlichkeit einer Staatspleite sehen die Analysten in den nächsten fünf Jahren bei fünf Prozent.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier befürchtet, dass der Konflikt in der Ostukraine noch Jahre anhält. Analysten der UBS sehen die Chance dafür, dass sich die Lage bis Mitte 2015 entspannt, bei gerade einmal zehn Prozent. Das sind klare Worte, nach denen Anleger ihre Taten ausrichten sollten.

Investor-Info

Rubel
Stabilisierung in Sicht

40 Prozent Minus gegenüber dem Dollar, mehr als 20 Prozent zum Euro, die Verluste der russischen Währung seit Januar sind immens. UBS-Analysten erwarten, dass sich der Rubelkurs von derzeit 46 Rubel je Dollar in den nächsten zwölf Monaten stabilisieren wird - trotz Freigabe des Wechselkurses ab 2015. Als Kontrollmechanismus hätte die Notenbank die Möglichkeit geldpolitischer Interventionen.

Aktien
Riskante Einstiegschancen

Für russische Aktien lief es 2014 bisher miserabel. Der Aktienindex RTS liegt tief im Minus und mit ihm auch die Aktienfonds mit Schwerpunkt Russland. Die steigende politische Unsicherheit und Kapitalflucht haben ihnen zugesetzt. Einige Fondsmanager raten daher nun zum Einstieg. Dass sich das lohnen kann, zeigte sich Mitte des Jahres, als der RTS fast wieder auf Vorkrisenniveau anstieg.

ETF RBS DAXglobal Russia
Russische Bluechips im Paket

Ein Investment mit überschaubaren Gebühren von 0,65 Prozent pro Jahr bietet ein ETF der RBS (ISIN: LU0269999958). Er bildet die 30 größten und ­liquidesten Aktien aus Putins Reich ab, die auch im Ausland notiert sind. Das Barometer ist aus­gesprochen rohstofflastig.

Aberdeen Russian Equity
Weniger Energiewerte

Im Aberdeen Russian Equity spielt der Energiesektor eine deutlich geringere Rolle als in vielen anderen Russland-Fonds. Er macht nur ein Viertel des Ver­mögens aus. Aktien aus der Konsumgüterbranche haben das gleiche Gewicht. Das Portfolio des guten, aber kleinen und teuren Fonds ist mit nur 22 Titeln sehr konzentriert. Ein Investment für Mutige.cp

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