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11.07.2024 21:09:38

ROUNDUP/Scholz und Habeck: US-Aufrüstung in Deutschland nötig

WASHINGTON/MOSKAU/PEKING (dpa-AFX) - Die USA wollen in Deutschland zum Schutz Europas aufrüsten. Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Vize Robert Habeck sehen darin eine Notwendigkeit. "Wir wissen, dass es eine unglaubliche Aufrüstung in Russland gegeben hat, mit Waffen, die europäisches Territorium bedrohen", sagte Scholz beim Gipfel zum 75-jährigen Bestehen der Nato in Washington. Habeck sagte, die russische Aufrüstung bedrohe "offensichtlich auch die Nato-Ostflanke". "Russland ist also kein Friedenspartner im Moment", sagte er der Zeitung "Neue Westfälische" (Freitagsausgabe).

Russland - und auch China - üben daran heftige Kritik und zeigen dabei Geschlossenheit. Russlands Außenministerium drohte eine militärische Antwort an. China wies den Vorwurf der Allianz zurück, den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Angriffskrieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Die Erklärung des Jubiläumsgipfels der Nato zu China sei voll von Kriegsrhetorik, Verleumdung und Provokationen.

Scharfe Worte fand die Führung in Moskau auch zu den politischen und militärischen Beschlüssen der Regierungschefs des Bündnisses zur Ukraine. Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde Unterstützung zugesagt, die eines Tages in einem Nato-Beitritt münden soll. Mit Blick auf China nahmen auch Vertreter aus Indopazifik-Staaten an den Beratungen teil.

Scholz: Entscheidung der USA passt in unsere Strategie

Scholz sagte, man habe lange beraten, wie man auf Russlands Aufrüstung neben dem nuklearen Schutzschirm der Nato mit konventioneller Abschreckung reagieren könne. Die Stationierung weitreichender Waffen sei bereits vor einem Jahr in der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik festgeschrieben worden. "Deshalb passt die Entscheidung der Vereinigten Staaten genau in diese Strategie, die wir öffentlich diskutieren seit langer Zeit."

Die USA wollen erstmals seit dem Kalten Krieg wieder Waffensysteme in Deutschland stationieren, die bis nach Russland reichen. Das hatten das Weiße Haus und die Bundesregierung am Mittwoch verkündet.

Moskau ist etwa 1600 Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt. Von 2026 an sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit einer Reichweite von bis zu 2500 Kilometern, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Überschallwaffen für einen besseren Schutz der Nato-Verbündeten in Europa sorgen.

Die Entscheidung lässt Erinnerungen an den Kalten Krieg wach werden. Scholz hatte Anfang der 80er Jahre selbst als junger Sozialdemokrat gegen den Nato-Doppelbeschluss protestiert, der unter anderem die Stationierung von Mittelstrecken-Raketen vom Typ Pershing II vorsah, die nach dem Ende des Kalten Krieges bis 1991 wieder abgezogen wurden.

Habeck: "Aufrüstung ist erst mal nichts, mit dem ich mich leicht tue"

Habeck sagte, Aufrüstung sei erst mal nichts, mit dem er sich leicht tue. "Aber ich halte die Entscheidung der USA, Langstreckenwaffen bei uns zu stationieren, für notwendig", sagte er der "Neue Westfälischen".

Er betonte: "Wir müssen die Wehrhaftigkeit steigern, weil wir in einer sehr bedrohlichen Zeit leben, die anders ist als in den 80er Jahren. Deshalb verbietet sich Naivität." Bei den Demonstrationen gegen die Nato-Doppelbeschlüsse 1981 habe Kalter Krieg geherrscht. "Jetzt erleben wir in der Ukraine einen heißen Krieg, weil dort geschossen und gestorben wird", sagte der Vizekanzler.

Viel Geld an die Ukraine für Waffen - Weg zum Beitritt unumkehrbar

In der Gipfelerklärung wird der Ukraine versprochen, dass sie auch innerhalb des nächsten Jahres wieder Militärhilfen im Wert von mindestens 40 Milliarden Euro erhält. Das ist in etwa der Betrag, der auch im vergangenen Jahr mobilisiert werden konnte. Beim Streitthema Nato-Beitrittsperspektive gibt es einen Kompromiss. Das Bündnis sichert der Ukraine zu, dass sie auf ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufgehalten werden kann.

Moskau: Nato-Pläne "Kettenglied im Eskalationskurs"

Zu der geplanten Stationierung von Waffensysteme in Deutschland fand man in Moskau deutliche Worte. Die russische Sicherheit werde durch die US-Waffen beeinträchtigt, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Es handle sich um "ein Kettenglied im Eskalationskurs" der Nato und der USA gegenüber Russland. "Wir werden, ohne Nerven oder Emotionen zu zeigen, eine vor allem militärische Antwort darauf ausarbeiten."

Russland überarbeitet Atomdoktrin

Die Nato-Beschlüsse zur Ukraine nannte der Kreml eine Bedrohung der eigenen Sicherheit. Die Entscheidung, die Ukraine früher oder später in die Allianz aufzunehmen, verdeutliche das Hauptziel des Bündnisses, Russland kleinzuhalten, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow und erwähnte einmal mehr die russische Atomdoktrin. Er bestätigte, dass an Veränderungen gearbeitet werde. Das bisherige Leitprinzip lautet, dass Russland Atomwaffen nur als Reaktion auf einen Atomangriff oder einer existenziellen Gefahr für das Land bei einem konventionellen Angriff einsetzen darf.

China nennt Nato-Kritik völlig unberechtigt

Auch China übt scharfe Kritik an der Erklärung des Nato-Gipfels. Sie übertreibe hinsichtlich der angespannten Lage im Indopazifik-Raum und sei voll von Kriegsrhetorik, Verleumdung und Provokationen gegenüber China, sagte Außenamtssprecher Lin Jian in Peking.

Treffen sich Orban und Trump in Florida?

Für Verärgerung im Bündnis sorgte angebliche Pläne des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, den Ex-Präsident Donald Trump in Florida nach dem Gipfel zu besuchen. Eine offizielle Bestätigung entsprechender Medienberichte stand aus. Darin hieß es, das Treffen werde in Trumps Residenz Mar-a-Lago stattfinden.

Trump will nach der US-Wahl im November für die Republikaner wieder ins Weiße Haus einziehen. Der Wahlkampf gegen US-Präsidenten Joe Biden befindet sich mitten in der heißen Phase.

US-Wahlkampf beim Gipfel: Wie schlägt sich am Ende Joe Biden?

Joe Biden stand beim Nato-Treffen unter ständiger Beobachtung, nachdem er bei einem TV-Duell gegen Trump Ende Juni Zweifel an seiner geistigen und körperlichen Fitness gesät hatte. Die ersten beiden Tage kam Biden als Gastgeber nahezu pannenfrei durch. Die größten Schnitzer leistet sich Biden aber ohnehin in der Regel nicht, wenn er Reden vom Teleprompter abliest. Schwierig wird es für den 81-Jährigen, wenn er frei spricht. Daher steht die eigentliche Bewährungsprobe für den US-Präsidenten auch noch aus: In der Nacht zum Freitag will er zum Ende des Nato-Gipfels eine Pressekonferenz geben./aha/DP/he

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