02.10.2025 06:34:40
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ROUNDUP/Mais überzeugt: Freiwilliger Wehrdienst wird nicht ausreichen
BERLIN (dpa-AFX) - Der langjährige Heeres-Inspekteur Alfons Mais hat angesichts der Bedrohungslage erhebliche Zweifel an einem ausreichend schnellen Aufwuchs der Bundeswehr mit dem geplanten freiwilligen Wehrdienst. "Angesichts der Lage ist die aktuelle Planung mit Sicherheit kein "Game Changer" und die Waage neigt sich zunehmend in Richtung eines verpflichtenden Dienstes. Das Gottvertrauen auf genügend Freiwillige wird schon bald nicht mehr ausreichen", sagt Mais, der seine Führungsposition am Mittwoch abgegeben hat, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Der Generalleutnant, der zum Jahresende in den Ruhestand geht, fordert zudem, die derzeitige Fokussierung auf den Aufwuchs der Reserve durch eine stärkere Ausrichtung auf die tatsächlich aktiven Einsatzkräfte zu ergänzen. Er sagt: "Wir haben der Nato nicht nur eine funktionierende logistische Drehscheibe in Deutschland versprochen, sondern auch neue Artillerie- und Pionierbataillone und wenn das Feldheer vorne nicht hält, dreht die Drehscheibe hinten umsonst."
Mais: Gaspedal bis in die Ölwanne treten
Vor der Bundeswehr und dem Land liege noch ein Stück Strecke. Mais prognostiziert: "Aber wenn die Politik will, dann wird sich auch ein Weg finden, das Gaspedal bis in die Ölwanne zu treten!"
Das Bundeskabinett hatte im August das Gesetz zur Einführung eines neuen Wehrdienstes auf den Weg gebracht. Die Ministerrunde billigte den Rechtsrahmen, der eine Wehrerfassung junger Männer einführt, aber zunächst auf Freiwilligkeit und einen attraktiveren Dienst setzt. An einem ausreichenden Erfolg gibt es in der Union Zweifel. Nun entscheidet der Bundestag.
Zum Jahresende 2024 gab es rund 181.150 aktive Soldaten in der Bundeswehr. Erklärtes Ziel sind auf Grundlage neuer Nato-Planungen rund 260.000 Männer und Frauen in der stehenden Truppe sowie 200.000 Reservisten, deren Zahl vor allem mit dem neuen Wehrdienst gesteigert werden soll.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte in dieser Woche per Dekret die Einberufung von 135.000 Männern zum Wehrdienst angeordnet. Zuletzt ordnete Putin im vergangenen Herbst die Erhöhung der Sollstärke auf 2,4 Millionen Militärangehörige an - davon 1,5 Millionen Soldaten. Wiederholt haben Politiker und Militärs erklärt, ab 2029 könne Russland zu einem Angriff auf Nato-Gebiet gerüstet sein.
Ausgeschiedener Inspekteur: mit jedem Ereignis steigen Zweifel
Mais sagt, beim Personalaufwuchs in der Bundeswehr und zum Thema Wehrdienst komme es aus Sicht der Truppe darauf an, das aktuell Machbare mit dem eigentlich sicherheitspolitisch Erforderlichen auszutarieren. Infrastruktur und Ausbildungspersonal seien im Heer aktuell die Engpässe. Es sei richtig, etwas flacher einzusteigen und parallel zum Herstellen der Voraussetzungen hochzufahren.
Die Bedrohung wachse aber kontinuierlich. "Wir sind möglicherweise noch nicht in einem Krieg, aber wir sind auch nicht mehr so richtig im Frieden. Das sehen wir durch die hybriden Bedrohungen und die Ereignisse der letzten Tage und Wochen, Drohnenüberflüge, Cyberattacken und Luftraumverletzungen", sagt Mais. Und: "Da entsteht ein riesiger Handlungsdruck."
Politik und Gesellschaft tun sich mit radikalen Schritten schwer
Mit jedem neuen Ereignis stiegen die Zweifel, ob die Geschwindigkeit der eigenen Entwicklung angemessen sei. Beim Material seien die Schleusen mit den bereitgestellten Geldsummen im Haushalt - Sondervermögen und Teilentkoppelung des Verteidigungsetats von der Schuldengrenze - voll aufgedreht.
"Und solche radikalen Maßnahmen eben auch in anderen Planungskategorien wie Infrastruktur und Personal zu vollziehen, da tun wir uns möglicherweise noch zu schwer", sagte er. "Ich glaube, wir sind immer noch mit gebremstem Schaum unterwegs. Der ganze Apparat ruht noch zu sehr in sich selbst. Und damit meine ich uns alle, letztendlich die ganze Republik."
"Masse ist wichtig, um Abschreckung zu realisieren", sagt Mais. Aber Quantität alleine reicht nicht, es geht auch um Qualität bei Technologie und Ausbildung.
Er warnt davor, sich in der Not auf Schnellausbildungen zu verlassen und dabei am Vorbild der Ukraine zu orientieren. "Den Glauben, man könnte an drei Wochenenden Soldat werden, halte ich für irrig und gefährlich", so Mais. Soldat zu sein sei ein gefährliches Handwerk, bei dem es um den Umgang mit Waffen und Explosivstoffen, die Ausübung exekutiver Gewalt und das Überleben unter existenziellen, individuellen Gefahren gehe. Mais sagt: "Der Vergleich mit den Ausbildungszeiten in der Ukraine, einem Land in einem laufenden, verlustreichen Krieg ist dabei wenig hilfreich!"/cn/DP/zb

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