06.03.2025 12:55:38

ROUNDUP: Das sind die verbleibenden Knackpunkte bei den Sondierungen

BERLIN (dpa-AFX) - Union und SPD haben sich auf ein riesiges Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur geeinigt - sie brauchen dafür aber noch die Zustimmung der Grünen oder der FDP. Doch es geht nicht nur um Geld. In den Sondierungen von CDU, CSU und SPD stehen jetzt Gespräche über Themen an, bei denen es im Wahlkampf harte Konfrontationen gab.

In den kommenden Tagen könnte es hierzu Entscheidungen geben - worauf dann noch Koalitionsverhandlungen folgen würden. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) nennt als zentrale Punkte den Bundeshaushalt, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, das Bürgergeld, die Verbesserung der inneren Sicherheit und eine Begrenzung der irregulären Migration.

Migrationspolitik

Hier gibt es viele Konfliktfelder - vom Doppelpass für alle, den die Union am liebsten wieder abschaffen würde, bis zum Umfang des Familiennachzugs für Angehörige von Flüchtlingen. Der schwierigste Punkt dürfte allerdings die Frage sein, wer an der Grenze zurückgewiesen wird und wer einreisen darf.

Möglich sind Zurückweisungen grundsätzlich nur da, wo es stationäre Grenzkontrollen gibt. Die hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zwar inzwischen zeitlich begrenzt für alle deutschen Landgrenzen angeordnet. Wer einen Asylantrag stellen will, darf aber in der Regel einreisen. Im vergangenen Jahr wurden laut Bundesinnenministerium rund 80.000 unerlaubte Einreisen festgestellt, wobei es in etwa 47.000 Fällen zu einer Zurückweisung kam, etwa wenn jemand gefälschte Dokumente vorlegte oder weil nach einer Abschiebung eine Einreisesperre ausgesprochen worden war.

Doch die Union will mehr. Merz hatte im Wahlkampf gesagt, er wolle am ersten Tag einer Amtszeit als Bundeskanzler das Innenministerium mittels seiner Richtlinienkompetenz anweisen, "ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen". Sollte das Innenministerium nach einer Koalitionsbildung an einen Politiker oder eine Politikerin aus den Reihen von CDU oder CSU fallen, müsste er diese Karte wohl gar nicht ziehen. Denn dafür bedarf es nur einer Anordnung des Ministeriums. Ein Gesetz müsste dafür nicht geändert werden. Allerdings ist davon auszugehen, dass einzelne Zurückgewiesene vor einem Verwaltungsgericht klagen würden. Die SPD hat europarechtliche Bedenken gegen umfassende Zurückweisungen.

Haushalt

Eine der zentralen Aufgaben der neuen Koalition wird die Verabschiedung eines Bundeshaushalts für das laufende Jahr sein. Die Ampel war vor allem an einem Haushaltsstreit gescheitert. Derzeit gilt eine vorläufige Etatführung. Der Staat kommt weiterhin gesetzlichen Verpflichtungen nach, das betrifft etwa Ausgaben für die Rente oder das Bürgergeld. Neue Projekte können aber nur begrenzt angestoßen werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Loch im Ampel-Entwurf für den Haushalt auf 26 Milliarden Euro beziffert. Das hat zu tun mit der schlechten konjunkturellen Entwicklung und geringeren Steuereinnahmen. Auch in der weiteren Finanzplanung in den Jahren darauf klafften große Löcher. Das lag vor allem an der Frage, wie mehr Geld für die Verteidigung bereitgestellt werden kann. Dazu kommt ab 2028 die milliardenschwere Tilgung von Corona-Schulden sowie ab spätestens 2031 die Tilgung der Schulden aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr.

Falls es mit Grünen oder FDP eine Einigung darauf gibt, für Verteidigungsausgaben die Schuldenbremse zu lockern, könnte dies Union und SPD aber viel Luft verschaffen - wie auch das Sondervermögen für Infrastruktur. Denn Streitigkeiten in den Verhandlungen können mit Geld einfach geschlichtet werden, nach dem Motto: Du bekommst dein Projekt und ich dafür meins. Umstritten ist noch, ob kurzfristig drei Milliarden Euro für Waffenhilfen für die Ukraine mobilisiert werden. Die Union hat in ihrem Wahlprogramm zudem angekündigt, alle Ausgaben und besonders Subventionen zu hinterfragen.

Bürgergeld

Bei den Haushaltsverhandlungen dürfte es auch um Mehrausgaben im Sozialbereich gehen. Zentraler Punkt: die Union will das maßgeblich von der SPD eingeführte Bürgergeld abschaffen und durch eine neue "Grundsicherung" ersetzen. Das soll nach Unions-Plänen auch für milliardenschwere Einsparungen sorgen. Das Bürgergeld senke die Anreize, eine Arbeit aufzunehmen, argumentieren CDU und CSU.

Wettbewerbsfähigkeit

Nach zwei Rezessionsjahren wird auch für dieses Jahr nur ein Mini-Wachstum erwartet. Das geplante 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für Infrastruktur über zehn Jahre soll einen Beitrag leisten, um die Konjunktur anzukurbeln. Das dürfte aber nicht ausreichen. Wirtschaftsverbände fordern Entlastungen mit Blick auf im internationalen Vergleich hohe Energiekosten. Dazu geht es um weniger Bürokratie und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Große Differenzen gibt es in der Steuerpolitik. Die Union setzt sich für breite Steuerentlastungen auch für Unternehmen ein. Die SPD will einen "Made in Germany"-Bonus, um Investitionen anzukurbeln. Steuerlich will sie vor allem Entlastungen für Gering- und Normalverdiener. Im Gegenzug will die SPD Superreiche stärker belasten - das lehnt die Union ab.

Innere Sicherheit

Mehrere Gewalttaten, Anschläge und Amoktaten der vergangenen Monate haben dazu geführt, dass sich eine Mehrheit der Menschen weniger sicher fühlt. Menschen mit Migrationshintergrund berichten zudem von einer Zunahme rassistischer Anfeindungen und Übergriffe nach tödlichen Gewalttaten, die von Zuwanderern verübt wurden. Tendenziell steht die SPD zusätzlichen Befugnissen für die Sicherheitsbehörden aufgeschlossener gegenüber als ihre alten Koalitionspartner Grüne und FDP. Das gilt auch für die Verpflichtung von Kommunikationsanbietern, IP-Adressen für einen bestimmten Zeitraum zu speichern - etwa um Mitwisser von Terroranschlägen zu identifizieren oder Menschen auf die Spur zu kommen, die Bilder vom sexuellen Missbrauch Minderjähriger im Internet anbieten. Doch ob sich die potenziellen Koalitionäre hier auch beim Kleingedruckten einig werden, ist schwer vorherzusagen - zumal bei einigen Vorhaben auch die Länder zustimmen müssten, wo teilweise die Grünen mitregieren./hoe/DP/nas

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