06.02.2023 23:37:38

ROUNDUP 3: 3600 Tote nach Erdbeben in Türkei und Syrien - Nachbeben und Kälte

(neu: 3. Absatz, Vizepräsident zu Rettungen)

ISTANBUL (dpa-AFX) - Bei einer der schwersten Erdbebenkatastrophen der letzten Jahrzehnte sind im türkisch-syrischen Grenzgebiet mehrere Tausend Menschen gestorben. Die Zahl der Todesopfer wurde am Montagabend mit mehr als 3600 angegeben. Weiter wurden Hunderte Menschen unter Trümmern vermisst. Nach bisherigen Informationen sind zudem mehr als 15 000 Menschen in der Südtürkei und Nordsyrien verletzt worden. Die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad warnte unterdessen vor weiteren Nachbeben.

Im Katastrophengebiet herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt. Tausende Menschen sind nach Angaben von Hilfsorganisationen obdachlos geworden - und das bei kaltem Wetter. Ein drohender Schneesturm könnte die Situation in den Erdbebengebieten nach Einschätzung der Hilfsorganisation Care noch deutlich verschärfen. Viele Straßen seien nicht passierbar. Die Welthungerhilfe rechnet mit langen Aufräumarbeiten. In betroffenen türkischen Provinzen sind auch Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien.

Angehörige und Rettungskräfte suchten weiter nach Verschütteten. Auf Videos war zu sehen, wie Überlebende in zerstörten Gebäuden mit Licht auf sich aufmerksam machten. Ein Afad-Vertreter forderte Menschen dazu auf, von beschädigten Gebäuden fernzubleiben, wie der Sender CNN Türk berichtete. Zahlreiche Staaten sagten Hilfe zu. Am späten Montagabend teilte der türkische Vizepräsident Fuat Oktay mit, dass 7840 Menschen bereits aus den Trümmern gerettet worden seien.

Das Hauptbeben am Montagmorgen hatte nach Afad-Angaben eine Stärke von 7,7, das Epizentrum lag im südtürkischen Kahramanmaras. Am Mittag erschütterte ein Beben der Stärke 7,5 dieselbe Region, wie die Erdbebenwarte Kandilli meldete. Afad verzeichnete insgesamt 185 Nachbeben.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach vom schwersten Beben seit 1939. In dem betroffenen Bereich habe es seit etwa 900 Jahren kein so großes Beben mehr gegeben, sagte die Geologin Charlotte Krawczyk vom Geoforschungszentrum Potsdam der ARD. Ob und wann weitere große Beben folgen, könne nicht vorhergesagt werden.

Im Bürgerkriegsland Syrien kamen nach Angaben des Gesundheitsministeriums sowie der Rettungsorganisation Weißhelme von Montagabend mindestens 1300 Menschen ums Leben. In der Türkei stieg die Zahl der Toten auf 2316, wie die Katastrophenschutzbehörde Afad meldete. Präsident Erdogan verkündete eine einwöchige Staatstrauer. Flaggen aller Vertretungen im In- und Ausland sollen dafür bis Sonntag auf halbmast wehen.

Die Türkei wird immer wieder von schweren Erdbeben getroffen. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der größte Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr.

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich "zutiefst traurig" über die Katastrophe. Die Vereinten Nationen stünden bereit, um Nothilfe zu leisten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte Hilfe aus Deutschland zu. Das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU koordiniert die Entsendung europäischer Rettungskräfte in die Türkei.

Zur Unterstützung vor Ort wurde auch der Copernicus-Satellitendienst der EU aktiviert. Unter anderem auch Großbritannien, Indien, Pakistan, die USA, Finnland, Schweden und Russland sagten Hilfe zu. Die EU will auch Betroffene in Syrien unterstützen.

Griechenland schickte trotz der Spannungen mit der Türkei bereits eine erste Rettungsmannschaft mit Spürhunden in das Erdbebengebiet. Athen und Ankara streiten sich seit Jahrzehnten um Hoheitsrechte in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer. Nun hatten Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis und der Präsident der Türkei erstmals seit Monaten wieder direkten Kontakt.

Israel will der Türkei und Syrien, mit dem es sich im Kriegszustand befindet, Hilfe leisten. Der Iran bot ebenfalls Unterstützung an - er ist neben Russland im Bürgerkrieg der wichtigste Verbündete des syrischen Machthabers Baschar al-Assad.

Eines der am schwersten vom Erdbeben betroffenen Gebiete war die Region Idlib in Syrien, die von Rebellen gehalten wird. Dies dürfte dort die staatliche Nothilfe erschweren. Die syrische Regierung rief die internationale Staatengemeinschaft zur Hilfe auf. Nach mehr als elf Jahren Bürgerkrieg in Syrien kontrollieren Assads Regierungstruppen wieder rund zwei Drittel des Landes.

Die Türkei bat ihre Nato-Partner um Unterstützung. Konkret wurden etwa drei für extreme Wetterbedingungen geeignete Feldkrankenhäuser und Personal für deren Einrichtung genannt. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte bereits am Vormittag mitgeteilt, Alliierte seien dabei, Unterstützung zu mobilisieren.

Hilfsorganisationen und Gemeinden in den betroffenen Regionen riefen neben Blutspenden auch zu Sachspenden auf und baten etwa um Decken, Heizer, Winterkleidung. Zahlreiche Organisationen aus Deutschland baten um Spenden und kündigten Soforthilfen an./gth/DP/ngu

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