25.06.2016 11:03:45
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Politik und Wirtschaft sorgen sich um Folgen der Brexit-Entscheidung
LONDON (AFP) -- Nach dem Brexit-Votum der Briten sorgen sich Politik und Wirtschaft um die Folgen der historischen Entscheidung. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schloss Referenden in weiteren EU-Ländern nicht aus und forderte in der "Bild"-Zeitung vom Samstag einen entschlossenen Umgang mit rechtspopulistischen Bewegungen. Er kritisierte zudem ebenso wie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) den britischen Premierminister David Cameron. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte vor Schäden für die deutsche Wirtschaft durch den Brexit.
Juncker sagte der "Bild"-Zeitung, Populisten ließen in der Regel keine Gelegenheit aus, "um mit viel Lärm für ihre Anti-Europa-Politik zu werben". Daher könne es nach dem EU-Referendum in Großbritannien auch in anderen Ländern zu Volksabstimmungen kommen. Am Freitag hatten rechte Politiker aus Frankreich und den Niederlanden bereits entsprechende Forderungen erhoben.
Zum Ausgang des Referendums sagte Juncker, die EU müsse die Chance nutzen, "klüger aus dieser Situation hervorzugehen". Beim kommenden EU-Gipfel müsse darüber debattiert werden, "wie wir besser auf die Sorgen der Menschen in Europa eingehen und populistischen Bewegungen mit vereinten Kräften und entschieden entgegenwirken können". Deutschland prophezeite er unterdessen weiterhin "eine zentrale, wenn nicht sogar eine noch wichtigere Rolle in der Europäischen Union".
Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) warnte davor, Europa "den rechten Spaltern zu überlassen". Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstagsausgaben), der Polarisierung müssten sich alle Demokraten entschieden entgegen stellen. "Scheitert Europa, dann schadet das unserer Demokratie."
Die Briten hatten sich am Donnerstag mit knapp 52 Prozent für einen Austritt aus der EU ausgesprochen und damit Schockwellen durch den ganzen Kontinent und darüber hinaus geschickt. Weltweit brachen die Börsen ein, die britische Währung stürzte heftig ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die Entscheidung einen "Einschnitt" für Europa. Cameron zog die Konsequenzen und kündigte seinen Rücktritt bis Oktober an.
Dazu sagte Parlamentspräsident Schulz, dieser hinausgezögerte Rücktritt sei "skandalös". Damit werde "zum wiederholten Male ein ganzer Kontinent in Geiselhaft genommen" für die parteiinternen Überlegungen der britischen Konservativen, sagte Schulz in der ARD. Dasselbe habe er bereits vor drei Jahren mit der Ankündigung des Brexit-Referendums getan. Nun halte Cameron Europa erneut hin. "Man kann einen Parteitag auch morgen früh einberufen, wenn man das will", kritisierte Schulz.
Juncker machte den Premier darüber hinaus mitverantwortlich für das Ergebnis des Referendums, das nicht verwunderlich sei. "Wenn jemand von Montag bis Samstag über Europa schimpft, dann nimmt man ihm auch am Sonntag nicht ab, dass er überzeugter Europäer ist", sagte Juncker der "Bild"-Zeitung.
Im heute-journal des ZDF hatte Juncker gesagt: "Das, was die Briten entschieden haben, den Austritt aus der Europäischen Union, ist natürlich nicht nur eine mittlere Katastrophe, sondern eine vollumfängliche Katastrophe." Juncker versicherte, dass es in seiner Amtszeit keine weiteren Austritte aus der EU geben werde.
Die US-Ratingagentur Moody's senkte unterdessen die Aussichten für die Kreditwürdigkeit Großbritanniens. Moody's stufte die Bonität am Freitag zwar unverändert mit Aa1 ein, erklärte aber, die Entscheidung für den Brexit könne der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung des Landes schaden. Während der Jahre, in denen London seine Beziehungen zur EU neu aushandeln müsse, seien "erhöhte Unsicherheit, geringeres Vertrauen und geringere Ausgaben und Investitionen" zu erwarten, erklärte Moody's.
DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte der "Frankfurter Rundschau" vom Samstag, er erwarte zwar nicht zwingend einen "abrupten wirtschaftlichen Einbruch" in Deutschland, wohl aber einen "schleichenden", dessen Umfang sich erst in den kommenden Monaten zeigen werde. "Die Realwirtschaft wird unter Druck geraten", fügte Hoffmann hinzu. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, erwartet ebenfalls negative Effekte für die deutsche Wirtschaft.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) trifft am Samstag die Außenminister die Gründerstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in Berlin. Dabei geht es ebenfalls um die Konsequenzen aus der britischen Referendums-Entscheidung. Die EWG ist die Vorgängerorganisation der EU.
DJG/gos
(END) Dow Jones Newswires
June 25, 2016 04:32 ET (08:32 GMT)- - 04 32 AM EDT 06-25-16
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