31.12.2015 15:35:40

Polens Nationalkonservative bringen Medien in Bedrängnis

WARSCHAU (dpa-AFX) - Der Umbau des Staates schreitet in Polen mit Riesenschritten voran - und das rasant. Nach der Entmachtung des Verfassungsgerichts hat die neue nationalkonservative Regierung nun die Medien ins Visier genommen. Die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender sollen zu "Kulturinstituten" werden, die stärker der Regierung unterstehen. Der Sejm, das Unterhaus hat schon zugestimmt. Krzysztof Luft, Mitglied des unabhängigen Rundfunkrats KRRiT, sprach im Sender TVP Info vom "schwärzesten Tag" in der Geschichte der polnischen Medien seit der demokratischen Wende von 1989.

Alles deutet darauf hin, dass die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nach ihrem Wahlsieg vom Oktober ihre Macht in den Medien geltend machen will. Der Rundfunkrat würde eine seiner wichtigsten Aufgaben verlieren, wenn die Vorstände und Aufsichtsgremien der Sender künftig vom Minister für Staatsvermögen ernannt werden. Die Opposition befürchtet, dass Journalisten des Fernsehsenders TVP und des Radios kurzerhand durch linientreue "Kader" ersetzt werden.

In der Sprache der PiS-Politiker hört sich das alles ganz anders an: Es gelte, die Situation in den Rundfunkanstalten zu zivilisieren oder zu kultivieren. Die Sender seien "Horte der ehemaligen Regierungsparteien, Lügen-Zentralen und Sitz politischer Günstlinge", wetterte beispielsweise der PiS-Abgeordnete Marek Suski.

Das Durchpeitschen des Gesetzesvorhabens hat die EU-Kommission aufgeschreckt. In Brüssel werden Erinnerungen an Ungarn laut, dessen national-konservativer Regierungschef Viktor Orban schon mehrfach von Brüssel zur Ordnung gerufen wurde. Sollte die EU-Kommission zu dem Schluss kommen, dass in Warschau EU-Recht verletzt wird, kann sie rechtlich gegen Polen vorgehen. In letzter Konsequenz kann es zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) kommen.

Kommissionsvize Frans Timmermans schickte bereits seinen zweiten Brandbrief binnen weniger Wochen an die Weichsel. Ging es im ersten um die Einschränkungen des Verfassungsgerichts, zeigte er sich nun besorgt über das neue Mediengesetz. Freiheit und Meinungsvielfalt der Medien seien entscheidend für eine pluralistische Gesellschaft, betonte er darin.

Es war nicht der einzige Weckruf: Die Vereinigung der europäischen Rundfunkanstalten EBU appellierte an Präsident Andrzej Duda, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. EBU-Direktorin Ingrid Deltenre rügte die Hast der Regierung in Warschau und rief Polen dazu auf, die Integrität und Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien zu bewahren. Sie seien Symbole eines freien und demokratischen Landes.

Jaroslaw Kaczynski, der Vorsitzende der PiS und wichtiger Mann im Hintergrund, wies die internationale Kritik zurück. "Wir sind die wahre Stütze Europas", sagte er im erzkonservativen, katholisch geprägten Sender "Radio Maryja". Polen unter der PiS-Regierung verteidige die Demokratie gegen den Einfluss von Unternehmen. Es bewahre die Religionsfreiheit, die in Westeuropa in Gefahr sei.

Unerwartet offen rechtfertigte Kaczynski die Entmachtung des Verfassungsgerichts: "Ich bin überzeugt, dass das höchste Gericht (der Opposition)... als Bastion dienen sollte, um unsere Vorhaben für Veränderungen zu zerschlagen", sagte der 66-Jährige. Mit Kritik am Mediengesetz habe er gerechnet: "Es gibt in Polen das Recht zu demonstrieren, und wir haben nicht die Absicht, es aufzuheben."

Das Mediengesetz ist beileibe nicht das einzige kontroverse Projekt der Nationalkonservativen. Auch ein neues Gesetz über den Staatsdienst hat bereits den Sejm passiert. Es soll es möglich machen, das komplette Führungspersonal gegen Gefolgsleute auszutauschen. Die Opposition spricht von bis zu 1600 Beamten, die davon betroffen wären.

Die Kanzleichefin von Ministerpräsidentin Beata Szydlo, Beata Kempa, verteidigte das Vorhaben im Senat als Kampf gegen "pathologische" Erscheinungen. "Wenn ein Abteilungsleiter mehr verdient als die Ministerpräsidentin oder der Präsident, dann ist das eine komische Situation", sagte Kempa.

Es sieht nicht danach aus, dass sich das Tempo der politischen Veränderungen in Polen im neuen Jahr verlangsamen wird. "Wenn es die Situation erfordert, dann müssen wir alle rund um die Uhr arbeiten", sagte Kempa im Sender TVP Info. Und fügte hinzu: "Wer diesem Tempo nicht standhält, der kann ja zurücktreten."/hei/cb/DP/he

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