14.06.2016 12:27:42
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Pöyry-Studie: Steinkohlekraftwerke sind als Back-Up für die Energiewende klimafreundlicher als offene Gasturbinen
- Unter Volllast schneiden offene Gasturbinen- und Steinkohlekraftwerke fast identisch ab. Fluktuierende erneuerbare Energien erfordern immer häufiger den Teillastbetrieb. Pöyry ermittelt erstmals auch für diesen Fall die indirekten Emissionen. Hier liegen die Gesamttreibhausgasemissionen von offenen Gasturbinenkraftwerken um bis zu 76% höher als die von Steinkohlekraftwerken.
- Die effizienten Gas-und-Dampf-Kraftwerke (GuD) werden unter den aktuellen Marktbedingungen - wenn überhaupt - in Verbindung mit einem Wärmebedarf gebaut.
Um die sichere Stromversorgung in Deutschland im Zuge der Energiewende zu gewährleisten und um die Erzeugungsschwankungen der Erneuerbaren ausgleichen zu können, wird die Flexibilität thermischer Kraftwerke insbesondere im Teillastbetrieb künftig enorm an Bedeutung gewinnen. Schon heute leisten Steinkohlekraftwerke aufgrund ihrer hohen Flexibilität den Hauptanteil beim Lastausgleich für die fluktuierenden erneuerbaren Energien.
Eine aktuelle Studie des renommierten Beratungsunternehmens Pöyry Management Consulting hat daher die direkten und indirekten Treibhausgasemissionen der Stromgewinnung durch Steinkohle- und Gaskraftwerke betrachtet. Hierbei wurden auch die für den Ausgleich der Einspeiseschwankungen der erneuerbaren Energien besonders wichtige Teillast betrachtet. Im Rahmen der Analyse wurden umfassende internationale Studien zu den Emissionen in Förderung und Transport von Steinkohle und Erdgas verglichen und ausgewertet. Werden diese indirekten Treibhausgasemissionen zu denen der Stromerzeugung in den Kraftwerken addiert, zeigt sich unter Berücksichtigung des Kohle- und Gasbezugsmixes für Deutschland in 2014, dass in einem Teillastbetriebsszenario die direkten Treibhausgasemissionen der Stromgewinnung bei den offenen Gasturbinen um bis zu 76% höher liegen als bei modernen Steinkohlekraftwerken. Auch die Treibhausgasemissions-Differenz zwischen modernen Steinkohlekraftwerken und Gas-und-Dampf-Kraftwerke ohne Wärmeauskopplung reduziert sich von 36% unter Volllast auf 30% im Teillastbetrieb.
Bezieht man also die Treibhausgasemissionen mit ein, die bei der Förderung und dem Transport der beiden Energieträger entstehen, so ist die Teillast-Stromerzeugung durch moderne Steinkohlekraftwerke zum Ausgleich der variierenden Einspeiseleistungen der erneuerbaren Energien sowie der schwankenden Stromnachfrage für den aktuellen deutschen Kraftwerkspark die deutlich klimafreundlichere Alternative zu offenen Gasturbinen. Diese stehen zwar ebenfalls kurzfristig für den Lastausgleich zur Verfügung, verursachen aber im Teillastbetrieb erhebliche Wirkungsgradeinbußen und Nachteile für die Klimabilanz. Auch bei den direkten Emissionen, ohne Berücksichtigung von Förderung und Transport des Brennstoffs, stößt eine offene Gasturbine im Teillastbetrieb bis zu 29% mehr Treibhausgase aus als ein Steinkohlekraftwerk.
"In der aktuellen Diskussion um die beste Brückentechnologie auf dem Weg zur Energiewende ist Erdgas aufgrund der vermeintlich besseren CO2-Bilanz derzeit der von Politik und Gesellschaft präferierte Energieträger. Die Ergebnisse der Pöyry-Studie zeigen jedoch sehr eindrücklich, dass hier bisher falsche Annahmen zugrunde gelegt wurden. Insbesondere zur Erreichung der weltweiten Klimaziele müssen auch die indirekten Emissionen berücksichtigt werden, die bei der Förderung und dem Transport der unterschiedlichen Energieträger entstehen. In dieser ganzheitlichen Betrachtung und vor allem unter Teillastbetrieb schneidet die Steinkohle zum Teil deutlich besser ab als das vermeintlich klimafreundlichere Erdgas", kommentiert Dr. Wolfgang Cieslik, Vorstandsvorsitzender des Vereins der Kohlenimporteure e. V. (VDKi).
Methan - Hauptbestandteil von Erdgas - ist noch schädlicher als der "Klimakiller" CO2
Neben den CO2-Emissionen berücksichtigt die Pöyry-Analyse auch den Ausstoß des Treibhausgases Methan, der bei der Gewinnung, dem Transport und der Verarbeitung sowohl von Schiefergas als auch von konventionell gewonnenem Erdgas auftritt. Methan hat über einen Betrachtungszeitraum von 100 Jahren ein 28-mal höheres Treibhauspotenzial als CO2. Da der Handlungsbedarf nach der Weltklimakonferenz von Paris als sehr hoch und dringlich angesehen wird, legt Pöyry bei der Berechnung des CO2-Äquivalents einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren zu Grunde. Das Treibhauspotenzial von Methan ist dann sogar 84-mal höher als das von CO2.
Die wesentlichen Komponenten für die Emissionsbilanz der Stromerzeugung sind somit der direkte Verbrennungsprozess (CO2), der Energieaufwand für den Transport (CO2) und der Methanaustritt bei der Förderung und durch Leckagen. Die Konzentration des hochwirksamen Treibhausgases Methan in der Atmosphäre ist seit dem Jahr 2006 stark angestiegen. Das renommierte Karlsruher Institut für Technologie (KIT) konnte unlängst nachweisen, dass hierfür die Förderung von Öl und Erdgas insbesondere in den USA verantwortlich ist. Auch durch die Leckage eines großen Gasspeichers im Aliso Canyon, Kalifornien, bei dem 77.000 metrische Tonnen Methan in die Atmosphäre entwichen, wurde die Öffentlichkeit Anfang dieses Jahres auf die Relevanz dieses viel stärker als CO2 wirksamen Treibhausgases aufmerksam.
"Durch den Einspeisevorrang der erneuerbaren Energieträger wird den fossil befeuerten Kraftwerken zunehmend die Aufgabe des Ausgleichs von Erzeugungsschwankungen und der Netzstabilisierung zugewiesen. Sie werden deshalb zunehmend in der Teillast eingesetzt", so Roland Lorenz, Energieexperte und Geschäftsführer von Pöyry Management Consulting. "Nach den Studienergebnissen von Pöyry sind in diesem Lastbereich Steinkohlenkraftwerke die klimafreundlichere Alternative zu offenen Gasturbinen." Die effizienten Gas-und-Dampf-Kraftwerke erzeugen Strom in direkter Verbindung mit der Erzeugung von Wärme beispielsweise für Fernwärmenetze und können daher nicht so flexibel, wie für die Energiewende notwendig, auf Einspeiseschwankungen reagieren. Daher werden sie im aktuellen Energiemarkt fast ausschließlich in Verbindung mit einem Wärmebedarf gebaut, nicht zum Ausgleich von Lastspitzen. Nur die offenen Gasturbinen ohne angeschlossenen Dampfprozess können für eine Übergangsphase bis zum Erreichen der Ausbauziele für Wind- und Photovoltaikanlagen und bis zur Lösung des Speicherproblems völlig flexibel zur Netzstabilisierung eingesetzt werden, sind aber hinsichtlich der Effizienz und damit auch im Hinblick auf die Treibhausgasemission schlechter als moderne Steinkohlekraftwerke. "Falls Steinkohlekraftwerke aus politischen Gründen tatsächlich zugunsten von Erdgas aus dem Markt gedrängt werden sollten, müssten die Energieversorger zur Schaffung einer flexiblen Kraftwerksreserve massiv in den Ausbau von Gasturbinen investieren. Vor dem Hintergrund der in der Pöyry-Studie dokumentierten deutlich schlechteren Emissionswerte wäre das ein energie- und klimapolitischer Schildbürgerstreich", so Cieslik. Zudem werden unter den derzeitigen Marktbedingungen und regulatorischen Vorgaben - so die einhellige Expertenmeinung - auch in absehbarer Zeit keine modernen GuD-Kraftwerke gebaut werden bzw. neu ans Netz gehen.
Bei der Ermittlung der Werte ist die Herkunft der fossilen Energieträger ausschlaggebend für die Höhe der indirekten Emissionen, da der Transportweg eine entscheidende Rolle spielt. In Deutschland weisen daher das deutsche und das aus den nahegelegenen Niederlanden stammende Erdgas geringere indirekte Emissionen auf als Erdgas aus entfernteren Regionen, wie Norwegen, Russland oder Flüssiggas aus den USA bzw. dem Mittleren Osten. Allerdings sind die Erdgasvorkommen hierzulande stark rückläufig. "Das bedeutet, dass bei einem zukünftig verstärkten Einsatz von Erdgas zunehmend Liefergebiete und Fördermethoden zum Zuge kommen würden, die eine deutlich schlechtere Klimabilanz haben. Dazu gehören auch Flüssigerdgas (LNG) oder durch Fracking gefördertes Erdgas. Auch dies gilt es bei energiepolitischen Zukunftskonzepten zu berücksichtigen", fordert Cieslik.
VDKi fordert eine objektive Einordnung des Energieträgers Steinkohle bei der Bewertung der geeignetsten Brückentechnologie für den Übergang ins postfossile Zeitalter
Die Studienergebnisse unterstreichen den politischen Handlungsdruck in diesem Bereich: Die Stromerzeugung aus Steinkohle eignet sich als besonders flexible Brückentechnologie bis zum Erreichen der Ausbauziele für Wind- und Photovoltaikanlagen und bis zur Lösung des Speicherproblems mindestens ebenso gut wie die Stromerzeugung aus Erdgas. "Im April dieses Jahres waren von den acht noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerken aus technischen Gründen nur fünf am Netz. Dazu stellt die fluktuierende Einspeisung der erneuerbaren Energien die Versorgungssicherheit immer wieder vor neue Herausforderungen. In dieser Situation sichern vor allem die thermischen Bestandskraftwerke und hierbei insbesondere die deutschen Steinkohlekraftwerke aufgrund ihrer wirtschaftlichen Vorteile die für einen permanenten Lastausgleich notwendige Flexibilität. Viele GuD-Kraftwerke könnten selbst bei wettbewerbsfähigen Gaspreisen diese Aufgabe nicht übernehmen, weil sie gleichzeitig Wärme erzeugen und daher nicht die notwendige Flexibilität umfänglich erbringen. Der Neubau offener Gasturbinen zum Ersatz bestehender Steinkohlekraftwerke wäre eine gigantische Kapitalvernichtung ohne jeglichen Nutzen für den Klimaschutz", so Cieslik.
Wie die Studienergebnisse zeigen, arbeiten moderne Steinkohlekraftwerke insbesondere unter flexibler Teillast deutlich emissionsärmer als offene Gasturbinen. Dennoch ist die öffentliche Wahrnehmung eine andere. Politische Akteure verweisen immer wieder auf die vermeintlich emissionsärmere Stromerzeugung aus Erdgas. Doch in den Debatten über Treibhausgase werden lediglich direkte Emissionen betrachtet und pauschal die Wirkungsgrade von hocheffizienten GuD-Kraftwerken mit Kraft-Wärme Auskoppelung zugrunde gelegt. Wichtig ist aber auch hier zu unterscheiden, welcher Lastbetrieb erforderlich ist und welche Technik dafür zum Einsatz kommen muss. Hierbei wird offensichtlich der Emissionsvorteil von Steinkohlekraftwerken im Teillastbetrieb außer Acht gelassen.
Um die mittelfristige Stromversorgung in Deutschland ohne steigende Emissionswerte und die notwendige Flexibilität in der Fahrweise des thermischen Kraftwerksparks sicherstellen zu können, sollten alle vorhandenen Energiequellen ökonomisch genutzt werden. Zudem muss ein fairer Wettbewerb zwischen den fossilen Energieträgern gewährleistet werden, damit die Verbraucher vor weiteren Preissteigerungen geschützt sind. Die rückläufigen Erdgasvorkommen in Deutschland und den Niederlanden spielen hier eine entscheidende Rolle. "In der aktuellen Diskussion um die Reduktion der Treibhausgase und die Umsetzung der Energiewende positioniert sich die Gasindustrie als klimaschonend. Doch die Treibhausgasdebatten rund um die Energiewirtschaft betrachten meist nur die direkten Emissionen. Indirekte Emissionen, die bei der Förderung und dem Transport entstehen, bleiben weitgehend unberücksichtigt. Deshalb fordert der VDKi, dass die politischen Entscheidungsträger ihre Haltung zum Energieträger Steinkohle im Lichte der ganzheitlichen Betrachtung, wie sie die aktuelle Studie vorlegt, unvoreingenommen und neu evaluieren und überdenken", so Cieslik abschließend.
Zur vorliegenden Untersuchung
In der Studie "Vergleich der Treibhausgasemissionen von Kohle- und Gaskraftwerken" von Pöyry Management Consulting wurden die Treibhausgasemissionen von Erdgas- und Steinkohlekraftwerken von der Förderung bis zur Erzeugung verglichen. Der Vergleich der direkten und indirekten Treibhausgasemissionen bei der Erzeugung von Strom aus Erdgas- und Steinkohlekraftwerken wurde auf Basis einer Analyse von Daten aus Literaturquellen und eigenen Berechnungen vorgenommen. Für die Emissionen bei der Förderung von Erdgas und Steinkohle wurden vorhandene Studien ausgewertet (teils auf Basis länderspezifischer Informationen).
Hinsichtlich der Emissionen beim Transport waren Informationen nur für Erdgas ausreichend verfügbar. Für Steinkohlekraftwerke gab es aus früheren Untersuchungen keine validen Daten, so dass bezüglich des Steinkohletransports auf eigene Analysen zurückgegriffen wurde. Die Emissionen der Stromerzeugung von Gaskraftwerken, offenen Gasturbinen und modernen Steinkohlekraftwerken wurden auf Basis von durchschnittlichen Wirkungsgraden, bereitgestellt durch den VDKi und spezifischen Emissionswerten ermittelt. Basis der Literaturrecherche waren öffentlich verfügbare Quellen (Stand: Januar 2016), ausgewertet in Bezug auf den deutschen Erdgas- und Kesselkohlemix in 2014. Für unkonventionelle Förderung (Schiefergas) und LNG-Transport wurden darüber hinaus Studien mit Fokus auf den US-amerikanischen Markt in die Analyse einbezogen. Als Ausblick wurde die zukünftige Veränderung des Erdgasmixes für Deutschland szenariohaft (ohne Berücksichtigung der ökonomischen Umsetzung und Eintrittswahrscheinlichkeit) betrachtet.
Über den Verein der Kohlenimporteure e. V. (VDKi)
Der Verein der Kohlenimporteure e. V. (VDKi) ist die Interessenvertretung des Importsteinkohlemarktes in Deutschland. Die deutschen und europäischen Mitglieder stammen aus den Bereichen Kraftwirtschaft, Industrie, Handel und Logistik. Der Verein hat aktuell 70 Mitglieder, die in ihren Anlagen etwa 80 % des deutschen Steinkohlebedarfs von rund 58 Millionen t verbrauchen. Die Importkohle deckt den Kohlebedarf Deutschlands zu über 90 % ab. Damit vertritt der VDKi den überwiegenden Teil des Steinkohlemarkts (deutsche und importierte Steinkohle) in Deutschland mit einem finanziellen Volumen in Milliardenhöhe. Der VDKi untersucht regelmäßig die Bedeutung der globalen Steinkohlemärkte für den europäischen und deutschen Importsteinkohlemarkt, zeigt Perspektiven für die weitere Einfuhrentwicklung auf und veröffentlicht regelmäßig Statistiken zu deutschen Steinkohleimporten und -preisen. Weitere Informationen unter www.verein-kohlenimporteure.de.
OTS: Verein der Kohlenimporteure e.V. newsroom: http://www.presseportal.de/nr/107370 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_107370.rss2
Ansprechpartner bei Rückfragen und für weitere Informationen: Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia Geschäftsführer Verein der Kohlenimporteure e. V. Ferdinandstraße 35, 20095 Hamburg Telefon: +49 (0)40 32 74 84 Telefax: +49 (0)40 32 67 72 E-Mail: fj.wodopia@kohlenimporteure.de info@kohlenimporteure.de
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