01.10.2025 17:06:38

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Am Scheideweg: Kann Japan der Deflationsfalle entkommen?

Mainz (ots) - Nach fast drei Jahrzehnten der Deflation erlebt Japan seit 2022

einen anhaltenden Preisanstieg - ein möglicher Wendepunkt für die viertgrößte

Volkswirtschaft der Welt. Ursprünglich ausgelöst durch externe Faktoren wie

steigende Rohstoffpreise und einen schwachen Yen, gewinnt die Teuerung

inzwischen zunehmend an Eigendynamik: getragen von Lohnzuwächsen, welche die

Inlandsanfrage angekurbelt haben, und steigender Preise im

Dienstleistungssektor. Eine Coface-Analyse blickt auf die Frage, ob Japan den

Übergang zu einem dauerhaften Preiswachstum schaffen kann.

Nach dem Platzen der Spekulationsblase Anfang der 1990er Jahre durchlief Japan

zunächst eine Phase rückläufiger Inflationsraten, die schließlich in eine

langanhaltende Deflation, einem allgemeinen Rückgang des Preisniveaus, mündete.

Der drastische Wertrückgang von Immobilien und Aktien führte dazu, dass

Haushalte und Unternehmen den Abbau ihrer nun im Verhältnis höheren Schulden

über Konsum und Investitionen stellten - eine Entwicklung, die als

"Bilanzrezession" bezeichnet wird und die Verbraucherpreise konstant niedrig

hielt. "In den vergangenen Jahrzehnten kam es zwar vereinzelt zu

Inflationsschüben, diese waren jedoch meist temporär und durch externe Schocks

wie Ölpreisanstiege oder Steuererhöhungen bedingt - ohne nachhaltige Impulse aus

der Binnenwirtschaft", sagt Junyu Tan, Asien-Volkswirt bei Coface.

Dienstleistungen und Löhne als Inflationstreiber

Seit 2022 hat sich das Bild gewandelt: Die Inflation liegt durchgehend über dem

2%-Ziel der Bank of Japan, zunächst angestoßen durch höhere Importkosten und

eine Yen-Abwertung. Was als kostengetriebene Inflation begann, hat sich

zunehmend zu einem nachfrageseitigen Phänomen entwickelt.

Dienstleistungsunternehmen, die dauerhaft unter Margendruck stehen, geben ihre

Kosten zunehmend an die Verbraucher weiter.

Gleichzeitig ermöglichten steigende Lebenshaltungskosten und strukturelle

Engpässe am Arbeitsmarkt den Gewerkschaften, über drei Jahre hinweg deutlich

höhere Lohnsteigerungen durchzusetzen: 3,6% im Jahr 2023, 5,1% im Jahr 2024 und

5,3% im Jahr 2025 - die höchsten Werte seit über 30 Jahren. "Diese Entwicklung

markiert einen Paradigmenwechsel für japanische Gewerkschaften weg vom Fokus auf

Arbeitsplatzsicherheit und hin zu einer stärkeren Orientierung auf angemessene

Löhne", sagt Junyu Tan.

Investitionen als Basis für nachhaltiges Lohnwachstum

Die Fortsetzung der Rückkehr der Inflation hängt nun davon ab, ob Unternehmen in

der Lage sind, Lohnerhöhungen durch produktivitätssteigernde Investitionen zu

stützen. Nach Jahrzehnten des Bargeldhortens und der Investitionszurückhaltung

haben japanische Unternehmen ihre Investitionen seit 2022 deutlich ausgeweitet.

Das durchschnittliche jährliche Investitionswachstum lag zwischen 2022 und 2024

bei 9,1%, für 2025 wird ein weiterer Anstieg um 6,7% erwartet. Investitionen

fließen besonders stark in die Automatisierung und arbeitsentlastende

Technologien, um Japans chronischem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.

Gleichzeitig steigen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in

wachstumsstarken Bereichen wie Halbleiter und grüne Energie - unterstützt unter

anderem durch staatliche Fördermaßnahmen. Ob diese Investitionen tatsächlich zu

Produktivitätsgewinnen führen, bleibt abzuwarten. Ohne sie drohen jedoch

stagnierende Umsätze und ein Rückgang des Lohnwachstums - mit potenziell

negativen Folgen für den gesamten Reflationsprozess.

Zwischen Aufschwung und Insolvenz: die Gewinner und Verlierer

Die reflationäre Entwicklung hat Japans Unternehmenslandschaft bereits spürbar

verändert. Große, exportorientierte Unternehmen - insbesondere in der Automobil-

und Elektromaschinenbranche - profitieren vom schwachen Yen und der starken

globalen Nachfrage. Ihre Gewinne haben sich im Vergleich zur Vor-Covid-Zeit mehr

als verdoppelt, könnten jedoch durch mögliche US-Zölle und eine Yen-Aufwertung

wieder unter Druck geraten. Auch binnenorientierte Branchen wie Gastronomie und

Transport verzeichnen deutliche Zuwächse. Der Konsum steigt, der internationale

Tourismus boomt und viele Dienstleister nutzen eine positive Lohn-Preis-Spirale,

um steigende Arbeitskosten durch Preisanpassungen auszugleichen, ohne Nachfrage

Einbußen fürchten zu müssen.

Im Gegensatz dazu geraten kleine und mittelständische Unternehmen, die rund 70%

der japanischen Arbeitskräfte beschäftigen, zunehmend unter Druck. Ihre

begrenzte Preissetzungsmacht, geringere Produktivität und knappen Margen

erschweren die Anpassung an steigende Löhne. Seit Mitte 2022 nimmt die Zahl der

Unternehmensinsolvenzen unter KMU zu - wenn auch auf moderatem Niveau.

Langfristig könnte diese Marktbereinigung jedoch zu einer effizienteren

Ressourcenverteilung und einer Stärkung produktiverer Unternehmen führen.

Die gesamte Analyse und Grafiken zum Download: http://www.coface.de

Pressekontakt:

Coface, Niederlassung in Deutschland

Sebastian Knierim - Pressesprecher -

Tel. 06131/323-335

mailto:sebastian.knierim@coface.com

http://www.coface.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/51597/6129690

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