28.09.2022 20:06:38

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Politische Übungen, Kommentar zum Bankenstresstest von Jan Schrader

Frankfurt (ots) - "Solide kapitalisiert", "hohe Resilienz", "Risikotragfähigkeit

recht gut" - wer Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling zuhört, muss zum

Eindruck gelangen, dass die deutsche Aufsicht zufrieden mit der

Kapitalausstattung der Banken ist. Auch BaFin-Exekutivdirektor Raimund Röseler

hält eine Krise für beherrschbar. Optimistische Töne zu den Folgen einer

Zinswende kommen hinzu. So viel Lob hat die Kreditwirtschaft wohl nicht

erwartet. Damit schürt die Aufsicht Erwartungen.

Natürlich sind die Chefaufseher der Banken klug genug, um ihr positives Fazit zu

relativieren. Der übliche Verweis auf die Unsicherheit der Szenarien, auf einige

Problemfälle in der Bankenzunft und auf Mängel hie und da fehlt freilich nicht.

"Professionelle Sorgenfalten" nennt Wuermeling die unverzichtbare Skepsis der

Aufseher, und Röseler mischt mit seiner Warnung vor einem womöglich "perfekten

Sturm" für das Wirtschaftsgeschehen auch noch ein paar dramatische Töne unter.

Eine Bankenkrise oder Kreditklemme erwartet die Aufsicht aber nicht -

beziehungsweise, Vorsicht muss sein, "aktuell" nicht. Damit ist das Resümee

trotz der eingeschobenen Molltöne positiv.

Es wird nicht lange dauern, bis der Ruf nach einer Entlastung für die Institute

lauter wird. Die zusätzlichen Kapitalaufschläge, die vor einigen Monaten wegen

der bereits damals wackeligen Konjunktur und der stark gestiegenen

Immobilienpreise eingeführt worden waren, lassen sich mit einem positiven

Resümee zur Kapitalausstattung scheinbar nicht mehr so geschmeidig begründen wie

zuvor - obwohl doch Krieg, Inflation, Energiekrise und Rezession genug Stoff für

Warnungen böten. Die Deutsche Kreditwirtschaft als Sprachrohr der Branche

forderte nach Veröffentlichung der Ergebnisse, dass Aufseher die individuellen

Kapitalquoten von Banken "mit Bedacht" wählen sollen. Absehbar ist auch eine

Forderung nach einer Entlastung im Meldewesen, denn allein der Stresstest

brachte eine Excel-Datei mit hunderten Datenfeldern mit sich. Die Aufsicht, so

machte BaFin-Mann Röseler deutlich, wünscht sich aber eher mehr Stresstests, um

mit den Annahmen nicht so sehr hinterher zu sein wie in der aktuellen Runde. Die

laufende Reform des Meldewesens soll es möglich machen. Eine gute

Kapitalausstattung ist eine Steilvorlage für Kritiker, das Vorhaben in Frage zu

stellen.

Der aktuelle Stresstest zeigt einmal mehr, dass die Übungen einen politischen

Charakter haben. Fallen sie schlecht aus, sorgt die Aufsicht für Unruhe und baut

Druck auf. Sind die Ergebnisse solide, wird der Ruf nach Entlastung laut. An der

Grundüberlegung ändert sich aber unabhängig vom Stresstest nichts:

Kapitalpolster schützen vor Bankpleiten, regelmäßige Stresstests geben Aufsehern

ein Gespür für Risiken.

Die Aussage zur Lage der gesamten Kreditwirtschaft ist hingegen begrenzt. Das

Ergebnis hängt auch von Modellannahmen ab - das macht die Testergebnisse

unvermeidbar willkürlich. Risiken für eine gesamte Branche sind im komplexen

Finanzwesen schwer messbar, verlässliche Aussagen erlaubt die detailreiche

Abfrage eher für einzelne Institute oder für Teilsegmente. Der Stresstest ist

eine Rechenübung, die Aufsehern eine Orientierung gibt und die Sensibilität der

beaufsichtigen Häuser schärft. Mehr nicht.

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