15.08.2022 20:02:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Liquiditätsfalle, Kommentar zu China von Norbert Hellmann
Liquiditätsfalle, Kommentar zu China von Norbert Hellmann
Frankfurt (ots) - Chinas Zentralbank sieht sich gerne in der Rolle des Felsens
in der Brandung und ist auch in angespannten wirtschaftlichen Phasen stets um
unaufgeregte Handlungen bemüht. Am Montag hat die People's Bank of China (PBOC)
für die Marktteilnehmer überraschend eine Senkung der Zinsen bei der
mittelfristigen Refinanzierungslinie für Geschäftsbanken und einwöchigen
Repo-Geschäften am Geldmarkt verkündet. Es handelt sich um eine winzige
Anpassung von 10 Basispunkten, also eine unaufgeregte Maßnahme. Sie kommt aber
mit einem ziemlich aufgeregten Timing unmittelbar vor der Verbreitung neuer
Wirtschaftsdaten daher, die es einigermaßen in sich haben.
Der neue Datenkranz räumt mit der von Peking so eindringlich gepflegten
Vorstellung auf, dass Chinas Wachstumseinbruch im Frühling ein vorübergehendes
Malheur war. Dem sollte der Diktion nach der vom freudigen Post-Lockdown-Konsum
getriebene Konjunkturaufschwung folgen. Jetzt zeigt sich ein anderes Bild. Der
Lockdown in Schanghai und anderen Großstädten mag aufgehoben sein, aber die
Weiterführung der grotesken Coronapolitik erlaubt keine Stabilisierung des
Konsum- und Investitionsklimas. Von Verbraucherseite erlahmt der Schwung
bereits. Private Unternehmen schrecken vor Neuinvestitionen zurück. Im von der
Verschuldungskrise großer Bauträger zerrütteten Immobilienmarkt zeichnet sich
ebenfalls keine positive Wende ab.
Seitens Regierung und Zentralbank heißt es immer wieder, man habe ausreichenden
Spielraum für fiskalische und monetäre Impulse, um Chinas Wachstum auf Kurs zu
halten. Das klingt beruhigend, trifft aber nicht den Kern der Sache. Mit Blick
auf die bedrohliche Verschuldungslage der Lokalregierungen ist der Spielraum für
wuchtige Infrastrukturprogramme durchaus begrenzt. Die Zentralregierung kann mit
Steuerpaketen nur das Schicksal von Kleinunternehmen lindern, die überhaupt
Gewinne machen, und hat wenig Ideen in Sachen Konsumanregung.
Die Zentralbank wiederum kann die auf dem Papier noch eher hohen Zinsen senken
und Mindestreserveanforderungen weiter zurückschrauben. Damit werden aber nur
Kreditvergabespielräume erweitert und Darlehen verbilligt, für die es
gegenwärtig keine entsprechende Nachfrage gibt. Weder seitens der Unternehmen
noch der privaten Haushalte, die hypothekenfinanzierte Wohnungskäufe scheuen. In
der Wirtschaftstheorie spricht man hier von der keynesianischen
Liquiditätsfalle. Die etwas hilflos wirkende Aktion der PBOC zeigt, dass China
bereits hineingetappt ist.
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