22.01.2020 20:29:41

OTS: Börsen-Zeitung / Kratzer im Stern, Kommentar zu Daimler von Sebastian Schmid

Kratzer im Stern, Kommentar zu Daimler von Sebastian Schmid

Frankfurt (ots) - Wer sein Auto gern auf Hochglanz poliert, kennt das Problem.

Aus glatten, großen Flächen lassen sich kleinere Kratzer zwar noch leicht

herauspolieren. An den verwinkelten und kantigen Stellen wie etwa dem

Mercedes-Stern ist frischer Glanz derweil selten auf die Schnelle zu haben, und

meist finden sich dort auch schneller neue Makel. Für die Politur eines Sterns

braucht es eben nicht nur Feinarbeit, sondern auch eine Menge Geduld. Die wird

derzeit auch den Daimler-Anlegern in hohem Maße abverlangt. Denn der

Mercedes-Stern hat in den vergangenen eineinhalb Jahren durch Gewinnwarnungen,

ernüchternde Mittelfristziele und immer neuen Sonderaufwand für behördliche und

gerichtliche Verfahren zahlreiche Kratzer erlitten.

Mit der Gewinnwarnung zum Schlussvierteljahr wird die Problemstellung für den

neuen Vorstandsvorsitzenden Ola Källenius noch einmal verdeutlicht. Er hat zu

viele Baustellen, als dass er sie alle zugleich adressieren könnte. In der

Kernsparte Mercedes-Benz Cars sind zwar echte Fortschritte feststellbar. Der

Ergebnisrückgang im Quartal liegt deutlich unter dem der vorangegangenen neun

Monate. Hier dürfte die letzte Zielsetzung einer Ebit-Marge von 3 bis 5 Prozent

für 2019 dann auch erreicht werden. Dafür weist der Stern an anderen Stellen

neue Kratzer auf.

Die Van-Sparte, die künftig mit Cars unter demselben Mercedes-Dach geparkt wird,

hat aufgrund unerwartet hoher Rückstellungen für die Bereinigung des

Dieselskandals sogar das pessimistische Ziel einer negativen Umsatzrendite von

15 bis 17 Prozent verfehlt. Zudem hat sich die Marktlage im Nutzfahrzeuggeschäft

rasant verschlechtert, was sich bereits in den Absatzzahlen zeigte und sich nun

auch im Ergebnis niedergeschlagen hat.

Selbst die positive Ergebnisentwicklung von Daimler Mobility mit den Joint

Ventures, die gemeinsam mit BMW gegründet wurden, dürfte kaum als Anlass für

Euphorie taugen. Im vierten Quartal hatte sich der Carsharing-Dienst Sharenow

aus Nordamerika und einigen europäischen Städten verabschiedet, was zu einer

dreistelligen Millionenbelastung führte.

Dies passiert alles noch vor der anstehenden gewaltigen Transformation im

Pkw-Geschäft, in dem der Elektro-Anteil binnen zwei Jahren drastisch steigen

muss, um hohe Strafzahlungen wegen des möglichen Verfehlens der strengeren

CO2-Flottenemissionsgrenzen in der EU zu vermeiden. Mit der

Grenzwertverschärfung drohen bereits neue Kratzer im Stern. Daimler-Chef

Källenius dürfte noch auf Jahre mit Polieren beschäftigt sein.

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