31.05.2021 20:19:39
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Im Zweifel für den Fiskus, Kommentar zum Rentenurteil des
Bundesfinanzhofs von Angela Wefers
Berlin (ots) - Das höchste Finanzgericht hat mit einem Grundsatzurteil zur
Besteuerung der gesetzlichen Altersrente gleich zwei Dinge geklärt: Es hat
erstmals eine Berechnungsgrundlage geliefert und zugleich einen Jahrzehnte
dauernden juristischen Disput entschieden. Für den Moment ist der Fiskus noch
einmal glimpflich davongekommen. Finanzielle Einbußen aus einer aktuellen
Doppelbesteuerung drohen nicht. Die Revision des Klägers wies der
Bundesfinanzhof zurück. Für künftige Rentnerjahrgänge konstatieren die Richter
aber sehr wohl drohende Doppelbesteuerung und fordern den Gesetzgeber zum
Handeln auf.
Die politische Reaktion fiel gemessen an den Möglichkeiten sehr lau aus.
Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz machte einen
Wahlkampfauftritt daraus. Er stellte in Aussicht, die nötige Korrektur bei der
Rentenbesteuerung mit dem SPD-Wahlversprechen einer Einkommensteuerreform für
Geringverdiener nach der Bundestagswahl zu verbinden. Die CDU/CSU im Bundestag
will flugs reagieren - nämlich das Thema mit Scholz im Finanzausschuss erst
einmal diskutieren. Von Handeln fehlte auch hier jede Spur. Dabei kann die
Bundesregierung auch anders: Auf die nur einen guten Monat alte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zur Generationengerechtigkeit im Klimaschutz reagierte
sie umgehend und schneller, als es die Richter vorgaben. Kaum zwei Wochen später
beschloss das Bundeskabinett eine zeitlich ambitioniertere Frist, um hierzulande
Klimaneutralität zu erreichen.
Bei Auslegungsfragen zur Besteuerung folgt die Finanzverwaltung dem
immerwährenden Grundsatz: im Zweifel für den Fiskus. Bekommt der Steuerzahler
vor den Gerichten Recht, legen Exekutive und Legislative ein beachtliches
Trägheitsmoment an den Tag. Mit Nichtanwendungserlassen wird die Judikative erst
einmal ignoriert. Bei nächster Gelegenheit muss der Gesetzgeber ran und ein
vermeintliches Steuerschlupfloch schließen. Das führt zum Verdruss beim
Steuerzahler, auch zum Politikverdruss.
Diesmal hat der Finanzhof etwas Entscheidendes geklärt. Freibeträge wie der für
das Existenzminimum stehen allen Steuerzahlern zu und dürfen für Rentner nicht
verrechnet werden und verloren gehen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, der
Steuergerechtigkeit. Regierung und Gesetzgeber sind gut beraten, dem
Steuerzahler in dieser Frage der Gerechtigkeit zu Recht zu verhelfen - schnell
und zuverlässig, nicht vielleicht in der nächsten Legislaturperiode.
(Börsen-Zeitung, 01.06.2021)
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