03.08.2022 18:46:38
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Im Rückwärtsgang / Kommentar zur Lage beim Immobilienkonzern Vonovia
von Annette Becker.
Düsseldorf (ots) - Die Hatz nach schierer Größe auf dem Markt für Wohnimmobilien
hat mit der Zinswende ein jähes Ende gefunden. Deutschlands Branchenprimus
Vonovia, der das Portfolio im vergangenen Jahr mit der Übernahme von Deutsche
Wohnen noch um schlappe 155.000 Einheiten auf heute 550.000 Wohnungen ausbaute,
legt daher den Rückwärtsgang ein. Wurde im Mai zunächst ein grundsätzlicher
Akquisitions- und Investitionsstopp für Neubauten für den eigenen Bestand
verhängt, präsentieren die Bochumer drei Monate später ein Verkaufsportfolio mit
einem Verkehrswert von 13 Mrd. Euro.
Neben den üblichen Einzelverkäufen an die Mieter sind neuerdings auch
Mehrfamilienhäuser im Angebot sowie ein Portfolio mit nicht strategischen
Assets. In Summe stehen 65.000 Einheiten zur Disposition. On top wird nach
institutionellen Investoren Ausschau gehalten, die sich an Teilportfolien aus
dem Vonovia-Bestand beteiligen könnten.
Vorausgesetzt wird dabei natürlich eine entsprechende Zahlungsbereitschaft. Will
heißen, die Investoren müssten zumindest den bilanzierten Wert auf den Tisch
legen und damit genau das tun, was die Aktionäre von Deutschlands größtem
Vermieter nicht länger gewillt sind zu tun. Das belegt der Blick auf die Aktie,
die mit einem Abschlag auf den Nettovermögenswert von 50% gehandelt wird.
Vonovia sucht händeringend nach neuen Kapitalquellen, sind Fremd- und
Eigenkapitalmarkt angesichts der in wenigen Monaten verdoppelten Kapitalkosten
inzwischen doch tabu. Denn die Bochumer haben die Verschuldung mit der größten
Übernahme der Firmengeschichte so weit in die Höhe getrieben, dass bis 2030
alljährlich 3 bis 4 Mrd. Euro zu refinanzieren sind. Zugleich sind mit Blick auf
Klimaeffizienz milliardenschwere Investitionen in den Bestand vonnöten. Dieses
Geld muss erst einmal verdient werden und zwar zusätzlich zur Dividende. Denn an
der Dividendenpolitik - ausgeschüttet werden 70% des operativen Mittelzuflusses
- darf mit Rücksichtnahme auf die Aktionäre in keinem Fall gerüttelt werden.
Die Interessen von Mietern, Aktionären, Beschäftigten und Gesellschaft
auszubalancieren, ist das erklärte Ziel von Vonovia-Chef Rolf Buch. Doch je
tiefer der Aktienkurs fällt, desto stärker rücken die Vorstellungen der
Kapitalgeber in den Vordergrund. Wenig verwunderlich, dass Vonovia das Thema
Aktienrückkauf ins Spiel bringt. Ein Punkt, der mit Blick auf die
Kapitalallokation neben dem Schuldenabbau auf der Wunschliste der Investoren
ganz oben steht. Akquisitionen sind dagegen völlig aus der Mode gekommen.
(Börsen-Zeitung, 04.08.2022)
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