24.11.2021 20:21:38
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Hoher Anspruch, Kommentar zum Koalitionsvertrag von Angela Wefers
Frankfurt (ots) - Es wird nicht leicht für die Ampel. Mitten in der wieder
aufgeflammten Coronakrise tritt die neue Regierungskoalition aus SPD, Grünen und
FDP mit hohem Anspruch an. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 vor Augen,
will sie Deutschland in eine der größten industriellen Modernisierungen der
Geschichte führen. Versprochen ist dabei im Koalitionsvertrag:
Spitzentechnologie "Made in Germany" wird es auch in Zukunft geben. Wohlstand
und Beschäftigung der Menschen verspricht die Ampel abzusichern. Letzteres ist
keine Wohlfahrtspolitik, sondern lebenswichtig, wenn die neue Koalition
reüssieren und wiedergewählt werden will. Der designierte Kanzler Olaf Scholz
(SPD) hat dies schon vor Augen. Vor allem Wirtschaftswachstum und hohe
Beschäftigung sind der Schlüssel für die essenziell wichtige, solide
Finanzausstattung der Sozialversicherung.
Die Finanzschleusen will die Ampel nicht rückhaltlos öffnen, so wie es am Anfang
der Verhandlungen schien. Der Kreditspielraum der Schuldenbremse wird genutzt,
die im Grundgesetz verankerte Regel zieht von 2023 an wieder. Die schweren
Belastungen aus der Rückzahlung der Coronahilfen fallen ohnehin erst in der
nächsten Legislaturperiode an. Der FDP ist zu verdanken, dass Steuererhöhungen
in den oberen Einkommensgruppen nicht Wirtschaftswachstum abwürgen. Dies hätte
vor allem mittelständische Personengesellschaften getroffen. Der Preis dafür ist
Stillstand bei dringend nötigen Reformen in der Unternehmensbesteuerung.
Wie die neue Koalition ihre Finanzwünsche bezahlen will, lässt sie weitgehend
offen. Absehbar ist, dass die Förderbanken von Bund und Ländern stark
eingebunden werden. Die Privatisierung von Bundesunternehmen ist keine explizite
Option mehr. Die nötige Reform der gesetzlichen Rentenversicherung wird indessen
verschoben. Die Garantie von Rentenniveau und Beiträgen sowie die Absage an eine
längere Lebensarbeitszeit erhöhen den Druck auf die öffentlichen Finanzen. Dies
festzuschreiben ist in einer alternden Gesellschaft politisches Wunschdenken.
Einen Schub kann dem Finanzmarkt der Einstieg in die Kapitaldeckung bei der
gesetzlichen Rente geben, wie auch die geplante Lockerung der Anlagevorschriften
bei betrieblicher und privater Vorsorge.
Die Koalitionäre haben keinen Hehl daraus gemacht, dass sie lang und hart um
einzelne Passagen im Koalitionsvertrag gerungen haben. Das Ergebnis kam
gleichwohl zügig. Es bleibt zu hoffen, dass die politisch heterogene Ampel
dieses Arbeitstempo beibehält.
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