18.11.2020 20:52:38
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Glanz und Elend, Kommentar zur Autoindustrie von Sebastian Schmid
Frankfurt (ots) - Die deutsche Autoindustrie schneidet derzeit alte Zöpfe im
Rekordtempo ab. Der technologische Wandel, der von den Bemühungen um das
Erreichen der EU-Klimaschutzziele vorangetrieben wird, zwingt die Branche zum
rasanten Umdenken. Das lässt sich auch daran festmachen, dass nach dem jüngsten
Autogipfel kaum ein Murren zu vernehmen war - obwohl die einseitige Förderung
elektrifizierter Fahrzeuge bis Mitte des Jahrzehnts zementiert wurde.
Die Autokonzerne haben die Zeichen der Zeit erkannt und die Abwehrgefechte
eingestellt. Trotz Nachfrageflaute infolge der Coronakrise und entsprechendem
Sparbedarf werden Elektrifizierungs- und Digitalisierungspläne nicht nur
fortgeführt, sondern sogar beschleunigt. Volkswagen hat in der neuen
Planungsrunde festgelegt, dass in den nächsten fünf Jahren mit 73 Mrd. Euro die
Hälfte der Gesamtausgaben in Zukunftstechnologien investiert wird - zuvor waren
hier nur 40 Prozent der Mittel allokiert worden. Die ohnehin hohen Ausgaben für
die Elektromobilität werden um 2 Mrd. auf 35 Mrd. Euro aufgestockt. Die
Investitionen in Digitalisierung wegen der "herausragenden Bedeutung" auf gut 27
Mrd. Euro verdoppelt.
Wo Volkswagen schnell eigenes Know-how aufbauen will, setzt Daimlers Pkw-Tochter
Mercedes-Benz unter CEO Ola Källenius mehr denn je auch auf Partnerschaften.
Nach BMW bei Mobilitätsdiensten und Nvidia in der Fahrzeug-IT soll nun eine
Allianz für Ottomotoren mit Großaktionär Geely geschmiedet werden. Die
Aggregate, die auch mit E-Fuel und grünem Wasserstoff laufen sollen, werden ab
2024 erwartet. BMW will derweil die Motorenproduktion schrittweise vom Stammwerk
in München abziehen und dort künftig E-Maschinen montieren lassen. Den Umbau
will sich BMW hunderte Millionen Euro kosten lassen.
Die Entscheidungen sind eine direkte Reaktion auf die Marktentwicklung. In
Europa steigt die E-Auto-Nachfrage schneller als gedacht. Der wichtige
chinesische Markt wird ohnehin elektrischer und erweist sich überdies als
krisenresistent. Der dritte große Markt USA positioniert sich derweil mit stetig
wachsendem Light-Truck-Anteil als Exot. Die Orientierung nach Europa und Fernost
zeichnet der Branche einen klaren Pfad in Richtung Elektrifizierung. Die
langjährige E-Auto-Förderung soll wohl helfen, diesen zu ebnen. Für das Problem
fehlender Ladesäulen hat der Autogipfel aber keine überzeugende Lösung gebracht.
Das kann sich rächen. Zwischen Glanz und Elend liegt oft nur ein Schlagloch.
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